Freisinger Amtsgericht:Randale vor dem Jugendamt

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Ein 52-Jähriger rastete in Freising aus, weil ihm die Kinder entzogen wurden. Das Gericht hat den Vater nun zu 1425 Euro Geldstrafe verurteilt.

Peter Becker

Richter Jakob Wanderer hält dem Angeklagten zugute, dass er gefühlsmäßig sehr aufgewühlt war, als er im April dieses Jahres im Landratsamt randalierte. Ihm und seiner Frau waren die Kinder vom Jugendamt entzogen worden. Die Eltern sollten zu einem Gespräch in die Behörde kommen.

Ein Vater randalierte im Landratsamt - nachdem ihm seine Kinder entzogen worden waren. (Foto: FRS)

Dazu kam es nicht, denn der Mann rastete aus: Zunächst drosch er seiner Frau mit seinem Gehstock auf die Hand, dann zertrümmerte er ein Fenster und Deckenlampen. Und schließlich beleidigte er eine Polizistin. Richter Jakob Wanderer verurteilt ihn deshalb am Freisinger Amtsgericht wegen gefährlicher Körperverletzung in minderschwerem Fall, Sachbeschädigung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von insgesamt 1425 Euro.

Laut Erklärung seiner Verteidigerin befand sich der Beschuldigte an jenem Morgen in einer Stresssituation. Am Tag zuvor hatte das Jugendamt dem Paar die Kinder entzogen, weil es in der Familie zu Gewalttätigkeiten gekommen war.

Der Mann sollte mit seiner Frau zu einem Gespräch auf dem Jugendamt erscheinen. Dass er mit seinem Gehstock wild um sich geschlagen und dabei ein Fenster und Lampen zerschlagen hat, gibt der 52-Jährige zu. "Den Schaden habe ich bezahlt", erklärt er vor Gericht. Und die Beleidigungen gegenüber den Polizisten täten ihm leid.

Dass er seiner Frau auf die Hand geschlagen habe, bestreitet er jedoch. Über seine Verteidigerin lässt er erklären, dass seine Frau unter spastischen Krämpfen leide. Im Zustand der seelischen Erregung würden ihre Hände nach innen gezogen. So sei der Eindruck entstanden, er habe sie geschlagen.

Die Frau macht vor Gericht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Sie will gegen ihren Mann nicht aussagen. Richter Jakob Wanderer stützt sich in seinem Urteil jedoch auf die Angaben des Sachbearbeiters im Jugendamt. Der sagt vor Gericht aus, dass er in seinem Büro den Schrei einer Frau vernommen habe. Als er daraufhin nach dem Rechten sah, erblickte er auf dem Flur den schimpfenden und mit seinem Gehstock fuchtelnden Mann, der sich dann entfernte.

Der Sozialpädagoge erklärt, eine Verständigung mit der Frau sei schwierig gewesen, weil diese schlecht Deutsch spreche. "Die Frau hat sich die Hand gehalten und geweint", schildert der Sachbearbeiter. Auf seine Fragen, was geschehen sei, habe sie Handbewegungen gemacht, die er als Stockhiebe deutete.

Die Aussage der Polizistin ist nicht verwertbar was die Stockschläge betrifft, weil sie die Frau nicht als mögliche Zeugin belehrt hat. Die Beamtin schildert aber, dass sie und ihre Kollegen wegen "Randale im Landratsamt" alarmiert worden seien. Sie habe sich sofort um die Frau gekümmert und eine Rötung der Hand festgestellt. Herbeigerufene Sanitäter hätten sie sogar ins Krankenhaus zum Röntgen gefahren, um Verletzungen festzustellen. Das habe sie nicht gewollt. Die Frau sei dann für zwei Tage im Frauenhaus gewesen und dann zu ihrem Mann zurückgekehrt.

Die Verteidigerin wendet in ihrem Plädoyer ein, dass es sich bei den Angaben des Sachbearbeiters am Jugendamt um Interpretationen, aber keine Beobachtungen handele. Das weist Richter Jakob Wanderer in seiner Urteilsbegründung mit scharfen Worten zurück. "Die Geschichte ist erstunken und erlogen", sagt er. Für ihn steht es aus der Gesamtsituation heraus fest, dass der Beschuldigte seine Frau geschlagen habe. Nach Ansicht des Richters sind die Angaben des Sachbearbeiters schlüssig. Jakob Wanderer billigt dem Beschuldigten im Fall der gefährlichen Körperverletzung zu, emotional aufgewühlt gewesen zu sein. Er habe sich nicht unter Kontrolle gehabt.

Weil die Verletzung an der Hand nicht schwerwiegend war, erkennt der Richter darin einen minderschweren Fall von Körperverletzung. Deshalb genüge eine Geldstrafe. Der Staatsanwalt hatte eine Bewährungsstrafe von acht Monaten gefordert. In Sachen Beleidigung und Sachbeschädigung sieht der Richter allerdings keinen Grund, die emotionale Aufgewühltheit des Beschuldigten auch für die Beleidigungen und Sachbeschädigung schuldmindernd zu werten. "Irgendwann muss es mal gut sein."

© SZ vom 15.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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