Freisinger Amtsgericht:Freispruch aus Mangel an Beweisen

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Weil die nötigen Unterlagen fehlen, kann das Gericht zwei Autohändlern einen möglichen Betrug nicht nachweisen

Von Peter Becker, Freising

Moderne Kommunikationsmedien sind Segen und Fluch zugleich. Für zwei Angeklagte hat es sich als nützlich erwiesen, dass eine Kreditversicherungsgruppe den ganzen Papierkram abgeschafft hat und ihre Geschäfte nur noch elektronisch abwickelt. Es war ihnen nicht nachzuweisen, dass sie sich bei dem Unternehmen gegen finanziellen Schaden versichern ließen, obwohl sie wussten, dass ihnen ein solcher ins Haus stehe. Die Hoffnung, die Vorsitzender Richter Manfred Kastlmeier auf eine Juristin des Versicherers gesetzt hatte, erwies sich als trügerisch: Die Frau sagte, sie habe im elektronischen Archiv keinen Hinweis gefunden, wann ein erster Kontakt zwischen dem Unternehmen und den Angeklagten stattgefunden hatte. In Zeiten, in denen Anträge schriftlich verfasst worden sind, wäre so etwas nicht passiert. So musste das Freisinger Schöffengericht die zwei Angeklagten freisprechen. "Es blieben aber Zweifel", betonte Vorsitzender Richter Kastlmeier.

Die Geschichte, um die es ging, nahm vor gut vier Jahren ihren Anfang. Die beiden Angeklagten betreiben ein Autohaus im Landkreis. Im Mai 2011 schlug das Büro Alarm. Es seien Verpflichtungen von 330 000 Euro aufgelaufen. Einer der Angeklagten, der für die Geschäfte zuständig war, gab vor Gericht an, er habe damals vorgeschlagen, sich gegen finanzielle Ausfälle versichern zu lassen. Das Autohaus bezog seine Wagen von einem Autohändler aus dem Landkreis. Dieser wiederum kaufte sie einem Mann ab, der von einem Bauernhof bei Olching aus einen obskuren Handel betrieb. Die Boulevardpresse titulierte ihn später als "Luxus-Tony". Er hatte Hunderte von Kunden, darunter viele aus der Münchner Schickeria, betrogen. "Luxus-Tony" ist im Februar dieses Jahres nach langer Krankheit gestorben. Dies meldet sein ehemaliger Fußballverein in einer Traueranzeige auf seiner Homepage.

Der Autohändler sagte als Zeuge vor Gericht, er habe im August 2011 seine Geschäftspartner, darunter die Angeklagten, informiert, dass "Luxus-Tony" verhaftet worden sei. Er hat einen Schaden von 45 Millionen Euro angerichtet. Panik griff um sich. Aus dieser Situation heraus soll einer der beiden Angeklagten vorgeschlagen haben, sich gegen möglichen Schaden abzusichern. Dann könne man einen Teil des investierten Geldes retten. Tatsächlich schloss der Geschäftsführer einen solchen Vertrag mit dem Kreditunternehmen ab. Dieses zahlte 134 000 Euro, als der Autohändler in Insolvenz ging. Der zeigte seinen einstigen Geschäftspartner deshalb 2014 aus Rache wegen Betrugs an. Der Autohändler sagte, dieser habe ihm ein Inkasso-Unternehmen auf den Hals gehetzt. Auch deshalb habe er zusperren müssen.

Der Autohändler überraschte das Gericht mit der Aussage, einer der Angeklagten sei damals mit einem Prospekt des Versicherers zu ihm gekommen. Er habe vorgeschlagen, er solle sich gegen einen zu erwartenden finanziellen Verlust durch "Luxus-Tony" absichern. Er habe dies abgelehnt, weil dies Betrug sei. Dieses wichtige Detail hatte er bei der Vernehmung durch die Polizei verschwiegen. Dies erschütterte die Glaubwürdigkeit des Zeugen massiv. Angeklagter und Autohändler, in inniger Feindschaft verbunden, sehen sich täglich: Sie sind Nachbarn.

© SZ vom 28.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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