Kanzlerin Angela Merkel hat es angekündigt: Noch in diesem Jahr möchte sie die geplanten Freihandelsabkommen vom Tisch haben. Doch wenn sich die Europäische Union und die USA tatsächlich wie geplant auf das Transatlantische Freihandels- und Investitionsschutzabkommen TTIP einigen, bedeutet das mehr als den möglichen Griff zum Chlorhuhn im Kühlregal. Denn das Abkommen wirkt sich nicht nur auf Waren aus, sondern auch auf Dienstleistungen. Dienstleister aber sind auch zahlreiche Kommunen und Landkreise, als Lieferanten von Trinkwasser, zum Beispiel.
Gleichzeitig soll das Abkommen Regulierungen abbauen, darunter, wie Kritiker befürchten, auch Umweltauflagen, Tarifbindungen oder Verfahren zur Bürgerbeteiligung. Weil auch er negative Folgen befürchtet, hat der Freisinger Kreistag im vergangenen Herbst eine Resolution gegen TTIP verabschiedet, so wie bundesweit viele Kommunen. Doch jetzt läuft die Diskussion, ob sie das überhaupt dürfen.
Anlass ist ein Gutachten, das der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags vor gut zwei Wochen veröffentlicht hat. Danach sind die Resolutionen von Kommunen zum Handelsabkommen TTIP unzulässig, weil es sich nicht um eine "Angelegenheit örtlicher Gemeinschaften" handelt. Benno Zierer, Abgeordneter der Freien Wähler, hat daraufhin eine Anfrage im Landtag gestellt, zu der Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wiederum eine andere Einschätzung abgab.
Demnach ist ein Zusammenhang mit kommunalen Angelegenheiten durchaus möglich. "Insoweit", heißt es in der ministeriellen Antwort, werde die vom Wissenschaftlichen Dienst "vertretene Auffassung zur Befassungs- und Beschlusskompetenz von Kommunalvertretungen im Hinblick auf internationale Freihandelsabkommen nicht geteilt."
Schon 2013 hat der Bayerische Städtetag unter anderem vor dem steigenden Privatisierungsdruck auf die Kommunen durch TTIP gewarnt. Im Landkreis war der Kreistag mit seiner Resolution einer der Vorreiter. Zahlreiche Kommunen folgten, darunter Neufahrn, Moosburg, Eching und Langenbach.
Im April wird sich auch der Verwaltungs- und Finanzausschuss des Freisinger Stadtrats mit dem Thema TTIP beschäftigen. Im Rathaus sei das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes natürlich bekannt, sagt Pressesprecherin Christl Steinhart. Sie betont aber, mittlerweile lägen Erkenntnisse vor, wonach Beschlüsse dazu durchaus zulässig seien, "wenn es sich um eine Stellungnahme unmittelbar im Zusammenhang mit den gemeindlichen Aufgaben handelt".
Neben sinkenden Arbeits- und Sozialstandards befürchtet man in den Kommunen auch Privatisierungsdruck. Zwar gibt es im TTIP so genannte Negativlisten mit Dienstleistungen, die auch künftig nicht dem Markt geöffnet werden müssen, Justiz, Polizei und Strafvollzug etwa. Trinkwasser, Abwasser, Bildung und Kultur aber gehören nicht dazu. Damit müsste künftig auch in diesen Bereichen ausgeschrieben werden.
Was beim Bau von Schulen noch angeht, sieht anders aus, wenn Theater, Volkshochschule, Hausaufgabenbetreuung oder Leistungen der Jugendhilfe ausgeschrieben werden müssen und an den Anbieter mit dem günstigsten Angebot gehen. Auch vom neuen Investorenschutz befürchten Kommunen Nachteile, dann nämlich, wenn sie von Konzernen vor die im Abkommen vorgesehenen privaten Schiedsgerichte geschleppt werden, weil sie mit neuen Verordnungen und Gesetzen eventuell die Geschäfte behindern.
Ebenfalls mit einem Legitimationsproblem konfrontiert ist die EU-weite Bürgerinitiative "Unfairhandelbar". Denn die EU-Kommission hat ihre Gründung als reguläre Bürgerinitiative wegen rechtlicher Bedenken nicht zugelassen, noch ist die Sache beim Europäischen Gerichtshof anhängig (). Europaweit haben sich dennoch über 400 Organisationen aus 26 Ländern bereits "wild" organisiert und sammeln noch bis Herbst dieses Jahres Unterschriften gegen die Handelsabkommen.
Auch im Landkreis Freising gibt es einen lokalen Ableger von "Unfairhandelbar", 17 Verbände und Wählergruppen haben sich darin zusammen getan. Die Unterstützer reichen von der Katholischen Arbeitnehmerbewegung über ÖDP, Grüne und Linke, Bund Naturschutz, Landesbund für Vogelschutz, die Arbeitsgruppe bäuerliche Landwirtschaft, den Bundesverband der Milchviehhalter bis hin zur Vermarktungsgemeinschaft "Unser Land".