Asylbewerber sind oft Nichtschwimmer:Tod im Wasser

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Plakate der Wasserwacht sollen bald in den Asylbewerberunterkünften im Landkreis aushängen. Grafik: Peter Knoblich/BRK (Foto: N/A)

In Bayern sind vielerorts Flüchtlinge ertrunken, auch in der Isar bei Freising. Nun sollen sie besser aufgeklärt werden.

Von Christoph Dorner, Freising

Rahimullah R. wollte nur einen Badeausflug machen. Der 24-jährige Asylbewerber aus Afghanistan fuhr mit dem Fahrrad an die Isar und suchte sich einen Platz unweit der S-Bahn-Station. Er hatte eine Decke dabei. Er zog sich um, ließ seine Kleidung zurück, ging ins Wasser.

Ob und wie gut der junge Mann schwimmen konnte, der vor sechs Monaten nach Deutschland eingereist war, ist unbekannt. Seit zwei Tagen hatte Rahimullah R. als Ein-Euro-Jobber am Bauhof in Marzling gearbeitet. Die Kollegen sagen, er sei nett gewesen, richtig engagiert.

Auf Höhe der Luitpoldhalle ziehen am Sonntagnachmittag ein Passant und ein Polizist einen leblosen Körper aus der Isar. Er war keine 700 Meter im Wasser getrieben, weit genug, dass für den zu diesem Zeitpunkt noch unbekannten Mann im Krankenhaus jede Hilfe zu spät kommt. Als zwei Flüchtlinge um 22.30 Uhr bei der Freisinger Polizei vorstellig werden, weil ihr Freund bis in den Abend nicht nach Hause gekommen war, hat der Tote aus der Isar einen Namen.

Die Staatsanwaltschaft Landshut ermittelt, das Obduktionsergebnis lautet: Rahimullah R. ist ertrunken - wie mittlerweile eine niedrige zweistellige Zahl an Asylbewerbern, die allein in diesem Sommer in bayerischen Seen ums Leben kamen.

Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) hatte deshalb bereits Anfang Juni Schwimmkurse für Flüchtlinge gefordert. Es sei höchste Zeit, in allen Erstaufnahmeeinrichtungen und Asylbewerberunterkünften zum Schutz der oft jungen Leute Schwimmkurse und Informationen über das Baden anzubieten, sagte BRK-Landesgeschäftsführer Leonhard Stärk. Initiativen für Schwimmkurse gibt es dank der örtlichen Wasserwachten, Sportvereine oder Helferkreise vielerorts in Oberbayern: in München, Dachau, Ebersberg, Wolfratshausen, Vaterstetten, Mammendorf. In Freising bislang nicht.

Der Landkreis will sich zunächst darum kümmern, dass in allen Asylbewerberunterkünften Plakate ausgehängt werden, die vor den Gefahren warnen, die für Nichtschwimmer in Seen, Weihern und Flüssen lauern. Und die meisten der Flüchtlinge sind genau das: Nichtschwimmer oder zumindest sehr unerfahrene Schwimmer. Das Landratsamt hat 300 Informationspakete mit Plakaten und Flyern beim BRK bestellt. Sie enthalten Symbolbilder mit den wichtigsten Baderegeln und Erläuterungen zu Notfallsituationen in sieben verschiedenen Sprachen.

Damit soll verhindert werden, dass die Menschen, die oft kaum lesen und schreiben können, völlig unbedarft in ein Gewässer gehen. Schwimmkurse, die der Landkreis organisiert und finanziert, werde es dagegen nicht geben, betont Pressesprecherin Eva Dörpinghaus. Letztlich seien Asylbewerber selbstständige Erwachsene, denen man nur einen guten Rat geben könne.

In einem Freibad in der Region seien Flüchtlinge zuletzt von einem Schwimmmeister nach draußen gebeten worden, nachdem sie es nach einer Rutschpartie fast nicht mehr an den Beckenrand geschafft hätten, hat Albert Söhl, der Kreisgeschäftsführer der Freisinger Wasserwacht gehört. Er kann sich vorstellen, dass Rahimullah R. in eine tiefe Stelle, wie es sie in der Isar bei Freising vereinzelt gibt, geraten war und es wegen fehlender Schwimmkenntnisse nicht mehr an die Wasseroberfläche schaffte.

Überhaupt sei die Isar als Badestelle nicht ungefährlich. Erst im vergangenen Jahr waren bei Mintraching zwei junge Chinesen ertrunken, weil sie offenbar die Sogwirkung eines Wehres unterschätzt hatten.

Für ein Angebot an Schwimmkursen für Asylbewerber fehle derzeit ein Überblick über den Bedarf, sagt Söhl. Außerdem bräuchte die Wasserwacht dann wohl zusätzliche Schwimmlehrer. Das aktuelle Kursprogramm laufe ganzjährig und sei nahezu ausgebucht. Dennoch habe es bereits Überlegungen gegeben, demnächst Kurse nur für Flüchtlinge zu organisieren.

Die dezentrale Unterbringung und eine vermeintliche Petitesse wie die Frage, wer dann für den Eintritt in ein Schwimmbad aufkommt, erschwerten hier allerdings ein schnelles Zustandekommen, sagt der Kreisgeschäftsführer der Wasserwacht.

Söhl hofft, dass in Zukunft auch die Bevölkerung ein Auge auf badende Flüchtlinge wirft, um sie auf die Gefahren der Gewässer aufmerksam zu machen - und sei es mit Händen und Füßen. Denn Wasser übt eine besondere Anziehungskraft auf Menschen aus, egal ob sie schwimmen können oder nicht. Für Rahimullah R. kam am vergangenen Sonntag jede Hilfe zu spät. Sein Leichnam wird nach Informationen des Landratsamts heute an seine Angehörigen überstellt.

© SZ vom 10.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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