Freising:Mit Passion bei der Sache

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Die Karwoche ist für Kirchenmusiker und Chöre die intensivste Zeit des Jahres. Sie gestalten die Gottesdienste und geben große Konzerte. Dabei geht es um eine Balance zwischen Alt und Neu

Von Christoph Dorner, Freising

Die Karwoche von Palmsonntag bis Ostersonntag erinnert Gläubige zuallererst an das Leiden und die Auferstehung Jesu Christi. Denn das Osterfest bezieht seine Kraft zunächst einmal aus den Geschichten aus dem Alten und Neuen Testament: von der Schöpfung der Welt, dem letzten Abendmahl, dem Kreuzweg, den Frauen am leeren Grab.

Dabei hat die Karwoche auch ihren ganz eigenen Klang, wenn etwa von der Gründonnerstagsmesse bis zum Gloria in der Osternacht in katholischen Kirchen die Orgel und die Glocken verstummen. Stattdessen knattern vielerorts Holzratschen, die symbolisch an die Schläge erinnern, die Jesus vor dem Tod am Kreuz abbekommen hat. Zum musischen Brauchtum der Ostertage gehört auch, dass die kirchenmusikalischen Ensembles im Landkreis die Gelegenheit bekommen, konzertante Akzente zu setzen. "Die Musik ist an Ostern nicht einfach nur eine Verschönerung der Worte des Pfarrers, sondern ein wesentlicher Bestandteil der Liturgie. Sie liefert einen Beitrag zu einem religiösen Gesamterlebnis", sagt Martin Poruba, Kirchenmusiker in der Freisinger Pfarrei St. Georg.

Komponisten im 16. bis 19. Jahrhundert hätten sich stets höfischer und kirchlicher Musik zugleich gewidmet, sagt Poruba und nennt zuvorderst die Barock-Komponisten Bach und Händel. So sei ein reichhaltiger Kanon an entstanden, aus dem Kirchenmusiker und Laien-Chöre in den Pfarreien zu Ostern schöpfen könnten.

Die Chorgemeinschaft und das Vokalensemble St. Georg haben seit September zusammen eine doppelchörige Mess-Komposition des Münchner Klassizisten Josef Gabriel Rheinberger geprobt, das sie am Ostersonntag im Festgottesdienst um 19 Uhr singen werden. Poruba glaubt, dass sich der Aufwand lohnt: Für die Gläubigen, denen musikalische Finessen und der Entstehungskontext zwar in der Regel verborgen bleiben, die aber von der feierlichen Unmittelbarkeit der Werke ergriffen sind. Und nicht zuletzt für die Musiker, die von der ungebrochenen Bindungskraft des Osterfestes profitieren und in gut besuchten Gotteshäusern auftreten.

Auch Zoltán Ambrus geht davon aus, dass der Mariendom am Palmsonntag um 18 Uhr voll besetzt sein wird, wenn das Freisinger Heinrich-Schütz-Ensemble die Johannespassion von Bach aufführen wird. Für das Konzert, bei dem Beate Hariades als Sopran-Solistin singen und das Salzburger Barockorchester aufspielen wird, gibt es eigens einen Kartenvorverkauf in der Freisinger Touristinformation.

Dirigent Ambrus beeindruckt dabei gerade der besondere Geist, der bei einem solchen Konzert entsteht: "Die Zuhörer kommen nicht unbedingt als Katholiken, sondern als Menschen. Denn die Passionsgeschichte ist ein universelles Thema. Dazu passt die Musik von Bach. Sie ist dramatisch, fast wie eine Oper, aber nicht bombastisch. Sie hat eine meditative Qualität."

In Messen könne man bei der Auswahl der Stücke dagegen nicht so frei agieren wie bei Konzerten in einem kirchlichen Umfeld, sagt Norbert Huber, Kirchenmusiker der Pfarrei St. Lantpert in Lerchenfeld. Hier lasse sich nur das Proprium gestalten, während das Ordinarium feste Bestandteile wie etwa Kyrie und Gloria umfasse.

Norbert Huber hat für den Ostermontag nach längerer Recherche eine Messe des zeitgenössischen englischen Komponisten Christopher Tambling ausgewählt. Sie habe eine moderne, jazzige Tonsprache, sagt Huber. Er lässt das Werk seit Januar von Chor und jungen Bläsern vom Camerloher-Gymnasium einüben. Eine Sache ist Huber besonders wichtig: "Man sollte als Kirchenmusiker nicht nur auf sich selbst hören, sondern auch darauf achten, dass sich unser Klientel von Kindern bis zu Senioren in der Musik wiederfindet." Deshalb lässt Huber beim Festgottesdienst am Ostersonntag um 10 Uhr zwar "freysing larks" singen, der Gospelchor werde sich jedoch darauf konzentrieren, eher die Atmosphäre der Osterbotschaft zu transportieren und nur ab und zu in den Gospelsound zu wechseln. Nichtsdestotrotz sieht Norbert Huber die Zukunft der Kirchenmusik im Nebeneinander von klassischem Instrumentarium und modernerem Gesang.

In der Wieskirche bei Freising wird am Karfreitag bei die Markuspassion des barocken Opernkomponisten Reinhard Keiser aufgeführt. Der Eintritt zu dem 75-minütigen Konzert ist frei, es beginnt um 19 Uhr. Es sei ein anspruchsvolles Werk, das für die Größe des Chors und der Kirche gut geeignet sei, sagt Benedikt Celler. Der Moosburger übernahm die Leitung des Chors mit 18 Jahren, derzeit studiert er Kirchenmusik in München. Die anspruchsvollen Turba-Chöre, die in der Passion die Stimmung aus dem Volk wiedergeben, hat Benedikt Celler seit Januar proben lassen. Die Musiker, die auf historischen Streichinstrumenten spielen, kommen extra aus Regensburg.

Celler verweist darauf, dass Ostern nicht nur für die Kirche das wichtigste Fest des Jahres sei. Auch für die Chöre sei es durch die vielen Gottesdienste und Konzerte die intensivste Zeit des Jahres: "An Ostern wächst ein Chor zusammen."

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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