Kinder mit Förderbedarf in Freising:Schwierige Inklusion

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Jede Kita braucht ein ein sexualpädagogisches Konzept, um Missbrauch vorzubeugen. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Kinder mit besonderem Förderbedarf bekommen in städtischen Kitas oft keinen Platz, klagen einige Eltern. Die Stadt wehrt sich gegen diese Vorwürfe und verweist auf die erforderlichen Rahmenbedingungen.

Von Gudrun Regelein, Freising

Cornelia Hoffmann hat zwei Töchter, beide haben einen erhöhten Förderbedarf: die Siebenjährige ist sehbehindert, die Vierjährige gehörlos. Das ältere Kind besucht inzwischen die Regelschule, das laufe auch sehr gut, sagt die Mutter. Was in ihren Augen aber nicht funktioniere, sei die Unterbringung von Kindern mit einem besonderen Förderbedarf in den städtischen Kindertagesstätten (Kitas). Betroffene Eltern würden schnell an integrative Einrichtungen verwiesen, kritisiert sie. "Wichtig wäre es doch aber, dass diese Kinder nicht in eine Sondereinrichtung gehen müssen", sagt Hoffmann. Inklusion zumindest funktioniere so nicht. "Wir können nicht": das sei die Begründung, die Eltern bei einer Ablehnung häufig hören. Der eigentliche Grund aber sei manchmal das Wollen, sagt Cornelia Hoffmann.

"Kinder mit einem besonderen Förderbedarf haben kaum Chancen, in einer städtischen Einrichtung unterzukommen", kritisiert sie. Viele Eltern seien auch enttäuscht von den städtischen Inklusionskonzepten, falls es diese überhaupt gebe. Gerade im Hortbereich, bei dem die Stadt das größte Angebot habe, bleibe oft keine große Auswahl. Im Hort der Grundschule St. Korbinian beispielsweise wurde zunächst allen Integrationskindern ein Platz zugesagt, dieser dann kurzfristig aber wieder abgesagt.

Auch habe ein an Diabetes erkranktes Mädchen keinen Kindergartenplatz bekommen, "das ist so nicht hinzunehmen", sagt Hoffmann. Stefanie Sattler ist die Mutter dieses Kindes. Vor zwei Jahren - damals war Theresa drei Jahre alt - meldeten die Eltern sie für einen städtischen Kindergarten in der Nähe ihres Zuhauses an, den auch schon die ältere Schwester von Theresa besuchte. Schon ein Jahr vor der Anmeldung führte die Mutter Gespräche mit den Erzieherinnen, um über die Erkrankung ihrer Tochter zu informieren, erzählt sie. Dann bekam die Familie eine Zusage und freute sich. Bis sie zu einem Gespräch in das zuständige Amt gebeten wurden. "Bei diesem erfuhren wir, dass wir nun doch keinen Platz bekommen." Die Begründung: die Tochter bräuchte einen Integrationsplatz, für diesen aber bekäme man keinen Fachdienst von der Lebenshilfe. Dieser Dienst besucht einmal in der Woche für 45 Minuten ein Kind mit erhöhtem Förderbedarf in seiner Einrichtung, um es dort intensiv zu unterstützen.

Familie Sattler hatte dennoch Glück: Sie fand für Theresa einen Platz in einer evangelischen Einrichtung in Lerchenfeld. Dort fühlt sich ihre Tochter sehr wohl, berichtet die Mutter. Aber noch heute ist sie verärgert über das Vorgehen der Stadt Freising. "Eigentlich kann das doch nicht sein". Alleine schon, da es einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz gebe.

Bei der Umsetzung des Rechtsanspruches auf Kinderbetreuung würden alle Kinder gleichbehandelt, betont Christl Steinhart, Sprecherin der Stadt Freising. Bei der Aufnahme von Kindern mit erhöhtem Förderbedarf müssten aber natürlich die erforderlichen Rahmenbedingungen, wie die begleitende Betreuung durch einen Fachdienst, erfüllt werden können. Zu dem Hort in der Korbinianschule aber könne sie nichts sagen, "da sind wir nicht Träger und können folglich nicht Stellung nehmen."

Die städtischen Kitas und die Stadt als Trägerin setzten sich intensiv mit den Themen Integration und Inklusion auseinander, berichtet Steinhart. "Das beschäftigt uns laufend." Grundsätzliches zu diesen Themen finde sich in allen Konzeptionen der Einrichtungen. "Unsere Kitas verstehen sich als Einrichtungen, in denen jedes Kind mit und ohne Beeinträchtigung von Anfang an gleichberechtigt in einem Gemeinschaftsgefühl groß werden kann." Derzeit laufen zwei Prüfungen für die Aufnahme von Kindern mit erhöhtem Förderbedarf, berichtet Steinhart. Der Vorwurf, dass diese Kinder ohnehin keine Chance haben, sei nicht zutreffend. Momentan wird in den städtischen Kitas aber kein Kind mit erhöhtem Förderbedarf betreut.

Cornelia Hoffmann hat erst gar nicht einen Aufnahmeantrag bei einer städtischen Einrichtung gestellt. Sie bekam für ihre beiden Töchter in ihrer Wunscheinrichtung, einem inklusiven Kindergarten in Trägerschaft der evangelischen Kirche, problemlos einen Platz. "Bei der Aufnahme spielen Behinderungen, Krankheiten oder Einschränkungen keine Rolle. Bei städtischen Einrichtungen wird man abgelehnt. Hier ist es einfach kein Thema. Das macht die Einrichtung so besonders."

© SZ vom 11.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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