Freising: 15-Jährige sticht auf Mitschülerin ein:Messerattacke im Klassenzimmer

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An einem Freisinger Gymnasium ist es am Mittwoch zu einem blutigen Streit zwischen zwei Schülerinnen gekommen. Eine 15-Jährige ging mit einem Messer auf ihre 16-jährige Banknachbarin los und verletzte diese schwer.

Kerstin Vogel

Zu einem blutigen Streit ist es am Mittwoch kurz vor zehn Uhr zwischen zwei Schülerinnen des Josef-Hofmiller-Gymnasiums gekommen. Das Drama spielte sich mitten im Lateinunterricht in einer zehnten Klasse ab, als eine 15-Jährige mit einem Messer auf ihre 16-jährige Banknachbarin losging und diese schwer verletzte. Beendet wurde die Auseinandersetzung noch vor Eintreffen der Polizei durch beherzte Mitschüler. Sie entwaffneten die Täterin und brachten sie ins Direktorat, wo der Notruf abgesetzt wurde.

Am Josef-Hofmiller-Gymnasium in Freising wurde ein Mädchen von einer Mitschülerin mit einem Messer verletzt. (Foto: dpa)

Die Polizei ging zunächst von einer "Amoklage" aus und schickte ein großes Aufgebot an Einsatzkräften an die Schule. Die Täterin wurde zur Polizeiinspektion Freising gebracht, ihr Motiv konnte bis gestern Abend nicht geklärt werden. Schulleiterin Hedwig Stock-Archner sprach von einer unauffälligen, normalen Schülerin. Wie die SZ erfuhr, könnte es sich jedoch um ein Eifersuchtsdrama zwischen zwei ehemals besten Freundinnen gehandelt haben. Das 16-jährige Opfer musste am Mittwoch noch operiert werden - Lebensgefahr bestand jedoch nach Angaben der Polizei nicht.

Punkt zehn Uhr war der Notruf wegen des vermeintlichen Amoklaufs bei der Polizei eingegangen, erste Beamte der Freisinger Polizei waren drei Minuten später im Hofmiller-Gymnasium, wie Freisings Polizeichef Anton Hemmer berichtete. Zu diesem Zeitpunkt wurde die Angreiferin jedoch schon im Direktorat festgehalten. Das verletzte Mädchen wurde wenig später von Sanitätern ins Freisinger Krankenhaus gebracht. Die kleineren Blessuren, die sich die 15-Jährige bei ihrem Angriff zugezogen hatte, waren im Sekretariat versorgt worden. In Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Landshut wird die Beschuldigte in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.

Soweit die Ermittler der Kripo Erding das Geschehen rekonstruiert haben, klopfte es in der zehnten Klasse gegen zehn Uhr an der Tür. Eine Schülerin aus einer anderen Klasse bat die Lehrerin um einen speziellen Schlüssel, der allerdings erst geholt werden musste. Die Lehrkraft kam der Bitte nach und verließ den Raum. Diesen Moment nutzte offenbar die 15-jährige Täterin, um mit einem 15 Zentimeter langen Küchenmesser auf ihre Klassenkameradin einzustechen. Ob das Mädchen, das nach dem Schlüssel fragte, die Lehrerin absichtlich weglockte, konnte Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer am Mittag nicht sagen, schien das aber ehr nicht anzunehmen.

Dem Opfer wurden nach SZ-Informationen fünf bis sieben frontale Stichverletzungen an Oberkörper und Armen zugefügt. Schlimmeres verhindert haben die Mitschüler der Mädchen: Sie konnten die 15-Jährige überwältigen und ihr die Waffe abnehmen. Trotz dieses mutigen Eingreifens standen viele der jungen Leute aus der betroffenen zehnten Klasse am Mittwoch noch unter Schock. Die Schulleitung hatte ihnen sofort für den Rest des Tages frei gegeben, entließ die Schüler jedoch nur in die Obhut ihrer Eltern - oder übergab sie den Helfern des Kriseninterventionsteams, die sich binnen Kürze eingefunden hatten. "Vor allem zum Reden", wie Einsatzleiterin Christine Rattenhuber sagte, das sei in den ersten Stunden nach so einem Ereignis besonders wichtig. Dankbar waren für dieses Angebot auch viele Eltern. Eine Mutter bat speziell um die professionelle Unterstützung. Ihre Tochter habe das Drama miterlebt und sei "total fertig".

Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle, der am Nachmittag nach Freising kam, um dem Hofmiller-Gymnasium seine Unterstützung zuzusichern, bestätigte, dass die ganze Schulfamilie höchst besonnen und professionell reagiert habe. Er sei tief betroffen, von diesem einzelnen Gewaltakt, so der Minister. Ein derartiges Ereignis in einem geschützten Raum wie der Schule bedeute "einen gravierenden Einschnitt". Das Kultusministerium werde die Schulleitung bei der Aufarbeitung in den kommenden Wochen unterstützen. Die professionelle Reaktion sei auch den Sicherheitsplänen zu verdanken, die es heutzutage an den Schulen gebe. Entwickelt wurden diese im Übrigen unter anderem wegen einer anderen Gewalttat an einer Freisinger Schule: Dem Amoklauf eines ehemaligen Wirtschaftsschülers, der im Februar 2002 vier Menschenleben kostete.

Am Mittwoch habe der gesamte Lehrkörper des Hofmiller-Gymnasiums viel dazu beigetragen, dass es zu keiner Panik gekommen sei, lobte Stock-Archner. Trotz des großen Polizeieinsatzes blieben alle Schüler ruhig in ihren Klassenzimmern. Den Gerüchten, die in der Pause schnell die Runde machten, trat die Schulleitung mit einer Durchsage entgegen, es sei zu einer "Handgreiflichkeit" gekommen, zur Aufregung bestehe kein Grund. Mit Ausnahme der betroffenen Klasse lief der Unterricht überall normal weiter - heute Morgen allerdings soll in der ersten Schulstunde in allen Klassen über die Ereignisse gesprochen werden, am Abend findet um 19 Uhr eine eigene Elternsprechstunde statt.

© SZ vom 15.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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