Freising:Frauen, Kunst und Wein - aber keine Vuvuzelas

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Wie man bei einer Degustation im Freisinger Schafhof der Fußball-Weltmeisterschaft fast entkommt

Birgit Goormann

Kunst, Wein und ein Schnellkurs in Emanzipation: Zum Auftakt der Fußball-WM hat das neue Café im Freisinger Schafhof, dem europäischen Künstlerhaus des Bezirks, am Samstagabend Weinkennern und solchen, die es danach dann waren, ein unterhaltsames Alternativprogramm geboten.

Andrea Mayer und Thomas Kirchmeier aus Freising: Weinprobe im neuen Cafe im Schafhof. (Foto: Marco Einfeldt)

Café-Betreiber Andreas Eckert hatte die gestandene niederösterreichische Winzerin Helma Müller-Grossmann und deren Tochter Marlies aus dem Kremstal am Fuß des Göttweiger Berges für diesen Abend engagiert, um ihre aktuellen Sommerweine zu kommentieren - wie das im Winzerjargon so schön heißt.

Der erlauchte Kreis der Gäste erfuhr nicht nur etwas über alte Reben, jungen Wein, "pfeffrigen Veltliner", "zwiebelschalenfarbenen Rosé" und das Für und Wider des Schraubverschlusses, sondern auch etwas über den steinigen Weg der Frau im (noch) männerdominierten Geschäft der Weinbauern.

Helma Müller-Grossmann hat ihr Handwerk noch vom Vater gelernt und musste nach dessen frühem Tod im Jahr 1986 von heute auf morgen den Betrieb übernehmen "und von da an jeden Abend runter in den kalten Keller, rauf auf die großen Fässer und verkosten, verkosten, verkosten..." Ein Frau als Winzerin, das sei damals schon sehr ungewöhnlich gewesen. Ihr Erfolgsrezept: "Durchhalten muss man halt" - und Netzwerke knüpfen, was Helma Müller-Grossmann getan hat.

Sie und zehn andere österreichische Winzerinnen haben nicht etwa einen Winzer geheiratet; das wäre zu einfach gewesen. Stattdessen vermarkten sie sich und ihre Produkte im Verein "Elf Frauen und ihre Weine" (www.11frauenundihreweine.at) - und lassen ihren Männern den Freiraum, sich anderweitig zu verwirklichen.

Bevor es am Samstag indes ans Verkosten ging, mussten sich die Gäste bei einer Führung noch mit den "Aktuellen Positionen der Druckgraphik aus Bayern und Bremen" befassen. In der drückenden Schwüle des Ausstellungsraumes im Obergeschoss bekam man dann spürbar Lust auf frische, gut gekühlte Sommerweine.

Die konnte man nach dem erfolgten Kulturrundgang ausgiebig genießen - übrigens mit einem traumhaften Blick auf den Weihenstephaner Berg auf der anderen Seite der Stadt - bekanntlich der Ursprung der Freisinger Bierkultur.

Die angebotenen Weine mundeten durchaus, waren auch süffig und voller Charakter, und was sonst so dazu gehört, konnten aber am Ende doch nicht verhindern, dass einen die Fußballweltmeisterschaft einholte - obwohl kein Fernseher lief und dementsprechend auch die allgegenwärtigen Vuvuzelas nicht zu hören waren.

Doch der Nachrichtenfluss von Südafrika nach Freising funktionierte gleichwohl, denn gegen 21.30 Uhr wurden einige der anwesenden Herren leicht nervös und verabschiedeten sich aus der Runde: "Liebling, England gegen USA, es steht 1 zu 1, die zweite Halbzeit läuft, du weißt, ich muss weg..." - und das war er dann auch. Die verbliebenen Damen beließen es bei einem sanften Seufzer - "Hört ihr Mann auch nicht mehr zu? Wie lange dauert diese WM eigentlich?" - und trösteten sich mit einem Kremstaler Riesling, seiner "pikanten Würze und dem feinherben Finale".

Alles in allem also dennoch ein gelungener Abend für die Sache der Frau und eine Chance für die Betreiber des neuen "Cafés im Schafhof", das erst am 1. Mai eröffnet wurde, sich eben so gut zu vermarkten wie Helma Müller-Grossmann ihre Weine.

Weitgehend unbeachtet

Möglicherweise finden jetzt ja wieder ein paar mehr Besucher als früher den Weg zu den grünen Hügeln an den Freisinger Stadtrand. All zu lange nämlich hatte der Schafhof, 1819 im Auftrag von König Max I. Joseph als Stall für die königliche Merino-Schafherde errichtet, ein von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtetes Dasein gefristet. Kurz vor dem endgültigen Verfall entschloss sich der Bezirk Oberbayern als Träger der Einrichtung zur Sanierung des denkmalgeschützten Gebäudetraktes und hoffte von 1994 an mit einem landwirtschaftlichen Museum Besucher dafür zu begeistern. Wenig erfolgreich - ebenso gut hätte man sauren Wein anbieten können.

Seit der Schafhof 2005 als Europäisches Künstlerhaus wiedereröffnet wurde steigert sich sein Bekanntheitsgrad jedoch auch außerhalb der Freisinger Ortsgrenzen. Gefördert wird das durch regelmäßige Ausstellungen junger Künstler aus Bayern und dem europäischen Ausland, offene Ateliertage, eine Sommerakademie für Maler, Künstlergespräche, Kunsthandwerkermärkte, Workshops und Konzerte.

Schon am kommenden Wochenende ist dort wieder Betrieb, denn am 19. und 20. Juni findet der traditionelle Johannismarkt statt. Sowohl in den beiden Stockwerken des Schafhofs als auch im malerischen Garten bieten 60 Aussteller aus ganz Deutschland ein breites Spektrum von modernem bis traditionellem Kunsthandwerk an. Wer selber kreativ werden möchte, kann bei Workshops Sonnenräder aus Weiden und Binsen flechten, Drachen bauen und anderes mehr. Bei schönem Wetter wird am Samstagabend um 21.30 Uhr das Johannisfeuer entzündet. Das machen dann "Die Feuermacher", eine Gruppe professioneller Feuermacher aus München (www.diefeuermacher.de).

Musik gibt es von der Echinger "Familienmusi Servi" (Samstag, 20.15 Uhr) und Walter Schreiber, der mit Akkordeon und Drehleier antritt (Sonntag, 12 bis 17 Uhr). Spanferkel vom Grill, essbare Wildpflanzen und "Veganes Mobilfood" gehören zu den kulinarischen Besonderheiten. Geöffnet ist der Schafhof an diesem Wochenende am Samstag von 11 bis 22 Uhr und am Sonntag von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Die Münchner Künstler Wolfgang Stehle und Wolfgang Kaiser gestalten mit ihrer Ausstellungen "Hirntot" vom 8. Juli bis zum 15. August die nächste Ausstellung im Schafhof mit Objekten, Installationen und Videokunst. Ein Ort der Inspiration wird die Landschaft rund um den einstige Schafzuchtanlage dann wieder vom 2. bis zum 15. August bei der Sommerakademie des Münchner Atelierprojektes (www.atelierprojekt.de), ein Zusammenschluss von Künstlern aus München und ganz Bayern.

Sabine Berr, Cornelia Eichacker, Silke Blomeyer und Stefan Zeiler wollen den Teilnehmern des Workshops, Anfänger und Fortgeschrittene, dann wieder die besonderen Herausforderungen von Malerei und Zeichnung vor der Natur vermitteln. Da geht es um Farbe, Licht, Raum, Abbildung, Abstraktion und das Umsetzen von eigenen Bildideen. Im weitläufigen Garten kann man sich nach Belieben ausbreiten, aber auch die Landschaft rundherum bietet reichlich Studienmotive.

© SZ vom 14.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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