Austausch mit Frankreich:Eine Reise in die sagenhafte Welt der Vulkane

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Eine Freisingerin in Dunkerque (3): Kathi Horban und das "Repas Exotique", eine traditionelle Abendveranstaltung von Rotary

Au revoir! Bon voyage!", sagt Gastschwester Mathilde. Dann schließt sich die Tür und der Zug rollt aus dem Bahnhof. Es geht Richtung Süden, weit nach Süden. Es sind Herbstferien, für eine Woche kann ich die Schwester meines Gastvaters in Clermont-Ferrand in der Auvergne besuchen. Von meiner Stadt geht es mit der Regionalbahn nach Lille. Schließlich sitze ich im TGV nach Lyon mit Endstation Nizza. Schneller und schneller wird der Zug, der nächste Stopp ist erst in Paris. Im Burgund versuche ich Fotos von der Landschaft zu machen, aber der Zug ist einfach zu schnell: Viele Hügel und Wälder, noch mehr Kühe, und kaum Menschen. Es ist eine einsame Gegend. In Lyon holt mich Lucette mit ihrem Mann ab und es geht mit dem Auto nach Clermont-Ferrand in die Auvergne.

Jeden Tag wird etwas unternommen, die beiden bemühen sich sehr, mir die besten Seiten ihrer Gegend zu zeigen. Einmal geht es nach Vulcania, das ist ein Erlebnispark zum Vulkanismus in der Region. Dort treffen wir Maria aus Mexiko. Kennengelernt haben wir uns vergangenen Monat auf dem Rotary-Wochenende am Mont St. Michel, sie wohnt hier in Clermont-Ferrand. Zusammen mit ihrer Familie werden die verschiedenen Aktivitäten in Angriff genommen. In einem Raum erklärt eine Vulkanologin mit einer interaktiven Karte die Geschichte der hiesigen Vulkane. Der Film "Le premier envol" begleitet zwei junge Adler bei ihrem Flug über die Auvergne. Stets aus der Vogelperspektive wird die wunderschöne Landschaft gezeigt. Spätestens jetzt ist klar: Mit meiner Familie muss ich wiederkommen in diese sagenhafte Gegend. Am nächsten Tag steht Clermont-Ferrand auf dem Programm. Das Parkhaus ist nach Vercingetorix benannt, unter seiner Führung gewannen die Gallier im Jahr 52 vor Christus gegen Cäsar die Schlacht bei Gergovia nahe Clermont-Ferrand. Auf dem Place de Jaude ist ihm ein großes Denkmal gewidmet. Zu Fuß geht es zur Kathedrale. Die Straße wird leicht steiler, noch einmal um die Kurve und dann stehe ich vor der Kathedrale. Unbeschreiblich, sie ist riesengroß und vor allem ist sie schwarz, da sie aus Vulkangestein gebaut wurde. Im Krieg wurde die Stadt fast nicht bombardiert, die Kathedrale wurde überhaupt nicht getroffen. So sind die vielen Buntglasfenster alle erhalten, und erstrahlen zwischen dem schwarzen Gestein. Das Herzstück der Kathedrale ist eine schwarze Madonna, sie befindet sich gleich hinter dem Hochaltar. Weiter geht es zur Basilique-Notre-Dame-du-Port, einer romanischen Kirche. Die Fontaine d'Amboise, ein Brunnen aus dem sechzehnten Jahrhundert, bildet den Abschluss dieses Tagesausflugs. Von hier sieht man auf die Stadt hinunter, die Sonne verschwindet gerade hinter dem Puy de Dôme. Das ist der Hausberg der Stadt, oder besser gesagt Vulkan. Er ist ein Teil der Chaîne des Puys, einer Vulkankette von über 80 Vulkanen. Dort geht es morgen hinauf.

Die Kathedrale von Clermont-Ferrand mit Katharina Horban. (Foto: privat)

Am letzten Tag in der Auvergne fahren wir in das Bergmassiv südlich von Clermont-Ferrand. Es geht auf den Puy de Sancy. Mit 1886 Metern ist das der höchste Vulkan der Auvergne. Man kann mit der Seilbahn hochfahren, über freies Gelände steigt man in etwa einer halben Stunde zum Gipfel auf. Der Himmel ist wolkenlos, die Sonne scheint stark vom Himmel. Ich kann nicht aufhören zu fotografieren, überall finden sich neue Motive. Und dann sind wir drei oben auf dem Gipfel. Es gibt eine Panorama-Aussicht in alle Himmelsrichtungen und überall sieht man Vulkane. Hohe, niedrige, welche mit bewaldeten Kratern, welche mit Kraterseen. Neben mir steht ein älterer Mann, in seinem Rucksack trägt er ein Atemgerät. Er atmet schwer, sein Freund prüft gerade seinen Puls. Er scheint schwer krank zu sein. Und trotzdem hat er es hier hoch geschafft. Diesen Moment auf dem Gipfel des Puy de Sancy versuche ich für immer abzuspeichern, er ist das beste Beispiel dafür, wie wunderschön das Leben sein kann.

Einige Wochen später, es ist Mitte November, ist das Wetter um einiges schlechter. Der Schulalltag hat mich wieder. Mit Gastmutter Karine bereite ich am Freitagabend Gerichte aus Bayern, meiner Heimat, zu. Denn dieses Wochenende findet in der Nähe von Lille eine Abendveranstaltung von Rotary statt, das "Repas Exotique". Alle Austauschschüler aus diesem Distrikt müssen typische Gerichte ihres Landes kochen. Aus Deutschland gibt es Fleischpflanzerl mit Kartoffelsalat und als Nachtisch einen Apfel-Butter-Kuchen. Gastfamilien, Schulfreunde, Rotarier; jeder ist eingeladen. Und jeder muss Eintritt bezahlen, dieses Geld wird für die Rotary-Wochenenden verwendet. Eigentlich sollte davon vor allem das Paris-Wochenende Mitte Dezember finanziert werden, nach den Terroranschlägen wurde die Reise jedoch gestrichen. Zu groß ist die Gefahr, dass etwas passieren könnte. Bevor alle ankommen, richtet jeder seinen Tisch her. Viele haben Dinge, die für ihr Land typisch sind, mitgebracht. Kleine bunt bemalte Elefanten aus Indien, Origami-Figuren aus Japan, ein Bildband mit Landschaftsfotos aus Brasilien, Mützen aus Lama-Wolle aus Peru. Ein internationales Abendessen. Das habe ich mitgebracht: Postkarten mit den Freisinger Bären, Flyer über die Geschichte der Domstadt auf Französisch, Stadtpläne mit Fotos von München. Mit viel Tesafilm und der Hilfe der anderen hängt die Deutschlandflagge schließlich an der Wand. Außerdem hänge ich eine selbst gebastelte Girlande auf, als Motive dienen ein Lebkuchenherz, das FC Bayern München Logo und ein Mann mit Bierkrug in Lederhosen. Das Essen wird passend hergerichtet, auf jedes Kuchenstück stecke ich eine kleine Bayernflagge. Dann kommen die ersten Leute an, allmählich wird der Saal immer voller. Nach einer Begrüßungsrede von Rotary ist das Büffet schließlich eröffnet und die ersten kommen neugierig an den Deutschland-Tisch. Ich serviere ihnen mein Essen und erkläre immer wieder, was ich gekocht habe.

Katharina Horban ist Schülerin des Camerloher-Gymnasiums und ein Jahr als Austauschschülerin in Frankreich. (Foto: oh)

Die Menschen interessieren sich sehr für ihr Nachbarland und erzählen was sie mit Deutschland verbinden. Ein Mann spricht mich auf Deutsch an, er ist geschäftlich oft in Deutschland und spricht deshalb die Sprache. Ein Mädchen, etwa elf Jahre alt, sagt: "Guten Tag!" Sie hat dieses Jahr mit Deutsch in der Schule begonnen. An diesem Abend haben die Leute auf ihrem Teller Essen aus zig verschiedenen Ländern und schmecken sich so durch die verschiedenen Kulturen. Nach dem Hauptgang singen drei Mädchen aus Japan traditionelle Lieder aus ihrem Land. Ein Junge aus Neuseeland führt einen Tanz der Maori vor. Ich spiele im Dirndl zwei Stücke auf der Querflöte. Links, rechts, hinten, vorne und in der Mitte: Überall hängen im Saal unsere Flaggen. Die Flaggen von fünf verschiedenen Kontinenten und aus 20 verschiedenen Ländern.

© SZ vom 28.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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