Freising:Am Anschlag

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Nachwuchssorgen beim Technischen Hilfswerk und beim Roten Kreuz: Immer weniger wollen sich engagieren, und wenn sie es doch tun, fehlt es an der Ausrüstung. Auch die Zustände in den Einsatzhäusern sind beklagenswert

Von Thomas Radlmaier, Freising

Das deutsche Rettungsdienst-System, das in den Fünfzigerjahren entstanden und auf ehrenamtliches Engagement angewiesen ist, kämpft mit Personalmangel - auch im Landkreis Freising. Beim Sommergespräch mit dem CSU-Landtagsabgeordneten Florian Herrmann klagten Vertreter des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) und des Technischen Hilfswerkes (THW) über eine mangelnde Bereitschaft in der Gesellschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren. Sowohl BRK als auch THW arbeiteten personell am Anschlag - und das bei immer neuen Herausforderungen, wie zum Beispiel Hochwasser.

Die Gründe für den Nachwuchsmangel sind vielfältig und reichen unter anderem von der Abschaffung des Zivildienstes bis zu den großen bürokratischen Hürden, die einen dringend notwendigen Neubau der Freisinger Einsatzhäuser verzögern. Michael Wüst ist Ortsbeauftragter des THW in Freising. Er warnte am Mittwoch vor den Auswirkungen einer "immer egoistischer werdenden Gesellschaft". Er sagte: "Die Bereitschaft in der Gesellschaft, ehrenamtlich tätig zu sein, nimmt ab." Diese Entwicklung und der demografische Wandel führten dazu, dass sich immer weniger beim THW engagieren wollen. Gegenwärtig reiche das Personal noch. "Aber in zehn bis 15 Jahren werden wir Schwierigkeiten haben, unser System aufrecht zu erhalten." Wüst forderte die Politik zum Handeln auf. Er regte an, Schulkinder im Sozialkundeunterricht für ehrenamtliche Tätigkeiten zu sensibilisieren. "Wir müssen uns etwas einfallen lassen, damit das Ehrenamt wieder attraktiver wird." Laut einer Studie von 2009 engagieren sich 30 bis 40 Prozent aller Einwohner im Landkreis ehrenamtlich. Das ist Durchschnitt in Bayern, das damit im Vergleich mit anderen Bundesländern auf Rang vier liegt. Wer im Landkreis ein Ehrenamt ausübt, wendet dafür im Schnitt monatlich neun Stunden auf. In Erding liegt dieser Wert bei 16 und bayernweit bei annähernd 15 Stunden.

Albert Söhl kann den Niedergang des Ehrenamtes auf seinem Schreibtisch beobachten. Der Freisinger BRK-Chef erzählte, dass sich die Bewerbungen auf seinem Tisch vor zehn Jahren noch gestapelt hätten. "Heute dagegen wird es immer schwerer, überhaupt genügend Personal zu finden. Das ist jedoch kein spezielles BRK-Problem, sondern betrifft eigentlich das ganze Gesundheitswesen." Sowohl Söhl als auch Wüst machten dafür auch die Abschaffung des Wehr- und Zivildienstes verantwortlich. Söhl sagte, dies habe ein "Riesenloch" in der Personaldecke des BRK gerissen. Schließlich seien viele Zivis nach ihrem Dienst beim BRK geblieben. Dagegen seien diejenigen, die den Bundesfreiwilligendienst ableisten, viel zu jung, um im Anschluss daran beim BRK zu arbeiten, so Söhl. Wüst sagte dazu: "Die Politik hat uns den Bufdi als Ersatz für den Zivildienst verkauft. Aber das funktioniert nicht."

Das THW-Gebäude am Sondermüllerweg stammt aus dem Jahr 1901. Die Bausubstanz ist entsprechend und nicht mehr zeitgemäß. (Foto: Marco Einfeldt)

Sowohl beim BRK als auch beim THW hat man daher schon länger die Werbetrommelgerührt, um junge Menschen für sich zu gewinnen. Aber so recht mag das nicht funktionieren. Jugendliche mit Migrationshintergrund erreiche man kaum, so Wüst und Söhl. Herrmann meinte dazu, dass die Bevölkerung generell schlecht darüber informiert sei, dass Rettungs- und Katastrophendienste zum großen Teil auf ehrenamtlicher Arbeit beruhten.

Wüst nannte aber auch die zum Teil mangelnde Ausrüstung ehrenamtlicher Rettungs- und Katastrophendienste. "Wenn sich jemand schon engagiert, dann will er wenigstens eine anständige Ausrüstung." In dieser Hinsicht sei das THW-Haus in Freising ein "dauerhaftes Ärgernis". Seit Jahren klagt der Freisinger Ortsverband des THW über die Zustände in ihrer Unterkunft: Schimmel an den Wänden, eine Isolierung gibt es nicht. Ein weiteres Manko ist der viel zu enge Anfahrtsweg am Sondermüllerweg. Auf eine neue Einsatzzentrale wartet man seit zehn Jahren. Bürokratische Hürden verzögern den Bau des neuen THW-Hauses. Das Bau-, das Finanz- und das Innenministerium spielen dabei eine Rolle. Wüst sagte, für ihn bedeute das eine "geringe Wertschätzung" des THW durch die Behörden. Er hoffe, dass Anfang nächsten Jahres endlich mit dem Bau begonnen werden könne. "Die finalen Papiere liegen überall und sind eigentlich durch."

Der Kreisverband des BRK hat ähnliche Probleme. Das Einsatzhaus an der Rotkreuzstraße in Freising entspreche schon lange nicht mehr den hygienischen Vorschriften, berichtete Albert Söhl. Daher plane man auch beim BRK, ein neues Haus zu bauen, das müsse kein Prachtbau sein. "Da geht es eher um die Funktionalität", schilderte Söhl. Die Baupläne lägen der Stadt bereits vor. "Wir sollten nicht zu lange warten."

© SZ vom 29.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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