Fred Still ist Turnlehrer  mit Leidenschaft:Hilfestellung  für den Nachwuchs

Lesezeit: 3 min

Wenn Fred Still Hilfestellung gibt, dann kann es auch schon mal passieren, dass der Turnlehrer einen Kinnhaken verpasst bekommt. (Foto: Marco Einfeldt)

Seit 2001 trainiert Fred Still beim TSV Jahn junge Talente. Einen Reckaufschwung schafft der 69-Jährige immer noch und manchmal bekommt er einen Kinnhaken verpasst.

Von Anne Gerstenberg, Freising

Die Turnhalle des TSV Jahn in der Fischergasse ist erfüllt vom Geschrei und Gejohle der umher wuselnden Kinder. Inmitten der tobenden Truppe steht ruhig Fred Still (69), der, für sein Alter noch sehr beweglich und sportlich, den Kinder an der Reckstange hilft. Er lächelt gütig und geduldig, während er mit ihnen spricht: "Du kannst das nicht so gut? Na das wollen wir mal sehen! Dafür bin ich ja da!" Er ermutigt, gibt an der richtigen Stelle der letzten Schwung und schon ist der Aufschwung geschafft. Belohnt wird er mit einem glücklichen Lächeln.

SZ: Herr Still, Seit wann trainieren Sie Kinder im Turnen?

Fred Still: Seit 2001. Damals bin ich in den Vorruhestand gegangen und wollte eine neue Aufgabe. Ich bin einfach niemand, der daheim vorm Fernseher hockt. Der Verein hat damals jemanden für eine Kinderturnstunde gebraucht, der etwas vom Turnen versteht. Dann habe ich eine Trainerausbildung gemacht. Mit 55 war ich da einer der Ältesten.

Seit wann turnen Sie selbst?

Seit ich acht Jahre alt bin.

Was gefällt Ihnen so daran die Kinder zu trainieren?

Das Geschrei in der Halle, das Gewusel von den Kleinen, die Erfolgserlebnisse, der Schmarrn, den die Jungs machen, das alles macht für mich die Faszination an meiner Arbeit mit den Kindern aus. Das Kind in seiner Bewegung zu erleben und zu fördern ist der Motor, der mich antreibt.

Was ist der schönster Moment Ihrer bisherigen Trainertätigkeit?

Das Schönste ist, wenn ein Kind zum ersten Mal eine Übung alleine korrekt ausführen kann. Dahinter steckt meist langes Üben und viele Versuche. Die Erfolgserlebnisse beflügeln nicht nur die Kinder, sondern auch mich. Es ist mir wichtig den Kindern diese Erfolgserlebnisse zu ermöglichen.

Gibt es auch traurige Momente?

Das Kinderturnen besteht aus Durchgangsstationen, sprich die Kinder wechseln ihrem Alter und ihrer Körpergröße entsprechend in weiterführende Gruppen. Es tut mir sehr leid, wenn ich einem Kind viel beigebracht habe und es dann wieder abgeben muss.

Wie läuft eine typische Turnstunde ab?

Zuerst machen wir gemeinsam ein Aufwärmspiel, das die Kinder sich wünschen dürfen. Dann machen wir Übungen am Reck, auf dem Trampolin, dem Schwebebalken und Bodenturnen. Das wechselt von Woche zu Woche. Zum Schluss räumen wir alle zusammen auf und jedes Kind bekommt ein Gummibärli.

Verletzen sich manchmal die Kinder?

In den 15 Jahren, die ich Trainer bin haben sich nur zwei Mal Kinder verletzt. Ein Nasenbeinbruch und ein gebrochener Arm. Und das war beides ohne meine Hilfestellung. Das Schlimmste kann ich durch meine Hilfestellungen verhindern. Der eigentliche Leidtragende bin ich.

Warum?

Ich bekomme immer mal wieder einen Kinnhaken von einem Kind oder meine Brillengläser gehen kaputt. Einmal habe ich mir bei einer Hilfestellung den Fingern gebrochen. Und ein Kind hat mich ausgeknockt! Das ist vom Barren runter geschwungen und mit dem Fuß voll in meinen Solarplexus. Dann war ich erst mal weg. Als Turnlehrer muss man hart im Nehmen sein.

Wissen Sie intuitiv welche Hilfestellung Sie geben müssen?

Wer selbst geturnt hat, weiß wo bei den Übungen die Schwierigkeiten und Fehlermöglichkeiten sind. Ich sehe an der Körperhaltung bevor es zu kritischen Teil kommt: Der packt es, oder eben nicht. Deswegen weiß ich wo und wie ich greifen muss, um ein Kind zu halten, ihm den Schwung zu verpassen, den es braucht oder es zu stoppen.

Reck und Bodenturnen habe ich am liebsten.

Turnen Sie selbst noch?

Nur noch verhalten. Ich habe Probleme mit meinem Kreuz, deswegen kann ich vieles nicht mehr so, wie früher. Aber einen schönen Aufschwung am Reck kriege ich noch hin.

Warum hab Sie selbst nie Wettkampfturnen gemacht?

Ich war für viele Übungen nicht kräftig genug. Aber ich glaube, das ist besser so. Ich kenne keinen Leistungsturner, der in meinem Alter noch turnt. Ich konnte mir das Turnen erhalten. Deswegen leite ich auch jetzt die Abteilung der Kinder, die nicht wettkampforientiert ist. Ich will den Kindern den Spaß am Turnen vermitteln, die selbst nicht auf Leistung turnen wollen oder können. Turnen ist wichtig für das Leben, auch wenn man kein Leistungsturner ist. Turnen ist Breitensport, nicht nur Leistungssport.

Was macht für Sie die Faszination am Turnen aus?

Turnen ist einfach der Sport der den athletischsten Körper formt. Beim Geräteturnen werden alle Körperteile gleichermaßen beansprucht. Neben den Muskeln werden auch die Sehnen und Knorpel stärker. Was Viele nicht wissen ist auch, dass beim Turnen die Knochendichte vergrößert wird. Frauen, die als Kind geturnt haben, haben kaum Probleme mit Osteoporose. Deswegen sage ich immer zu den Eltern: Schickt eure Kinder zum Turnen. Denn sie profitieren bis ins Alter davon.

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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