Frauenpower:Ein ganz besonderer Klang

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Unterwegs auf historischen Motorrädern: Renate Berger, Brigitte Soyer-Stauffert, Heidi Dahlström, Karin Hauber, Sieglinde Reichel und Anny Meier (von links). (Foto: Marco Einfeldt)

Auch sechs Fahrerinnen beteiligen sich an der Kaiserzeitausfahrt durch die Hallertau. Sie eint die Leidenschaft für historische Motorräder und die Erfahrung, dass sie in dieser Männerdomäne oftmals ungläubig bestaunt werden

Von Katharina Aurich, Haag

Der tuckernde Motor ihrer DKW mache sie glücklich. Manchmal bis zum Ellenbogen mit Öl verschmiert zu sein, wenn spontan mal wieder etwas repariert werden müsse, das sei kein Problem, schwärmt Renate Berger. Da können ihr die fünf anderen Ladies, die mit ihren historischen Motorrädern am Wochenende in den Haager Biergarten Schlossallee zur Kaiserzeitausfahrt gekommen waren, nur zustimmen. Denn nicht nur 80 männliche Fahrer starteten bei der siebten Ausfahrt des "Münchner Veteranen Motorrad Clubs", sondern auch die sechs Frauen mit ihren alten Schätzchen.

Sie alle hat bereits als Jugendliche die Leidenschaft für die knatternden Zweiräder mit dem unüberhörbaren Sound gepackt, die sie inzwischen mit ihren Partnern und Ehemännern teilen. Und die Frauen fahren nicht nur, sondern sind auch mit dem Schraubenschlüssel fit, "vieles können wir selber machen" versichert die 67-jährige Sieglinde Reichelt aus Aalen in Baden-Württemberg, bei der zu Hause "so 30 bis 40" alte Motorräder stehen, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts gebaut wurden. Nach Haag hat sie eine Bleha 1924 mitgebracht. Ihr Vater sei Motorradrennen gefahren, sie selbst habe mit 20 Jahren begonnen, alte Maschinen zu sammeln. Vor allem die Liebe zur damaligen Technik sei das Schöne an diesem Hobby. Zeugen der Vergangenheit zu erhalten, sei eine Lebensphilosophie, erzählt Reichelt, die sie inzwischen mit ihren beiden Söhnen teile. Mit einem historischen Motorrad unterwegs zu sein, das bedeute Lebensqualität, findet Anny Meier aus der Schweiz. Da die Zweiräder nur langsam voran kommen, nehme man die Landschaft bewusster wahr und erkunde oft Seitensträßchen, in die man sonst niemals hingekommen wäre, erzählt die 65-Jährige, die sich eigentlich vorgenommen hatte, mit 50 Jahren aufzuhören mit ihrer Leidenschaft. Inzwischen fahren nicht nur ihre Söhne, sondern bereits die Enkel mit, denn auch Anny Meier und ihr Mann haben zu Hause etliche alte Motorräder, an denen sie herumschrauben. Meier stammt von einem Bauernhof und ihre Eltern hatten ihr verboten, den Motorradführerschein zu machen. Sie setzte sich jedoch durch. Ihre erste Maschine sei eine Ducati gewesen, danach sei eine Harley in die Garage gekommen, erinnert sich die zierliche Frau. Ihr Mann brachte sie schließlich zu den historischen Zweirädern und im Laufe der Jahre vergrößerte sich der Bestand. Durch die Hallertau fuhr Meier auf einer Condor M 26 aus dem Jahr 1924.

Karin Hauber hat sich auf Motorradgespanne verlegt, ihre Freunde überredeten sie als junges Mädel, mit ihnen zu fahren, und hatten extra für sie ein Gespann restauriert. Nach Haag hat sie eine D-Rad R 0/4, Baujahr 1924, mitgebracht. "Wenn ich neben meinem Gespann stehe, werde ich manchmal gefragt, wo denn der Fahrer sei", sagt Hauber und lacht. Heidi Dahlström aus Berlin, die eine Sparkbrook, Baujahr 1914, fährt, war von ihren vier älteren Brüdern als junge Frau fast gezwungen worden, Motorrad zu fahren, um die jungen Herren von Partys abzuholen, erzählt die 48-Jährige. Schließlich heiratete sie einen Kfz-Meister. Zunächst kam ein alter Opel ins Haus, den die beiden restaurierten, aber dann habe doch die Begeisterung für die alten Motorräder überwogen.

Brigitte Soyer-Stauffert kam wegen ihres Namens zu ihrem historischen Motorrad, denn ihr Mann schenkte ihr kurz nach ihrem Kennenlernen eine alte Soyer de Luxe mit Schaltung aus dem Jahr 1921, wie sie erzählt. Bereits mit 18 Jahren hatte sie begonnen, Motorrad zu fahren, auch sie gegen den Willen ihrer Eltern, die ihren drei Töchtern dieses Hobby verboten hatten, erinnert sich die 58-Jährige. Bei Staufferts in Landshut stehen nicht nur historische Motorräder, sondern auch Oldtimer in der Garage. Die Soyer habe einen ganz besonderen Klang, schwärmt ihre Fahrerin, die Passanten schauten auf, wenn sie vorbeifahre. Wenn sie dann ihren Helm abnehme, ernte sie oft Verwunderung, dass sich darunter eine Frau befindet, erzählt Brigitte Soyer-Stauffert und schmunzelt.

Diese alten Maschinen zu fahren, sei ein Abenteuer - springen sie an, halten sie durch?, schildern die sechs Fahrerinnen. Außer dem Nervenkitzel, dem gemütlichen Reisen, der Freude an alten Motoren und ästhetischen Formen gehe es auch um die Gemeinschaft. Man treffe sich in ganz Deutschland oder im Ausland bei Ausfahrten historischer Motorräder. Es sei wie in einer Familie aus Gleichgesinnten. Freundschaften entstünden, man helfe sich, tausche sich aus und verbringe eine gute Zeit zusammen. Übernachtet wird wie auch in Haag im Zelt, im Auto, im Hotel und manchmal auch unter freiem Himmel.

© SZ vom 08.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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