Fragwürdig:Assimilation mit dem Holzhammer

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Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes kritisiert geplantes bayerisches Integrationsgesetz als "Futter für die Rechten"

Von "Johann Kirchberger, Freising

Selten dürfte ein Gesetz auf so viel Ablehnung gestoßen sein, wie das von der Staatsregierung vorbereitete bayerische Integrationsgesetz. SPD, Grüne, Linke, Gewerkschaften, Bürgerrechtler, Flüchtlingshelfer und Wohlfahrtsverbände sprechen von einem Abschottungs- und Ausgrenzungsgesetz, das die Integration der Flüchtlinge nicht fördere, sondern verhindere. Nur die CSU spricht von einem "großen Wurf" und will das Gesetz im Landtag "durchpeitschen", wie bei einer Versammlung des VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) befürchtet wurde. Verhindert werden kann das wohl nur durch eine Verfassungsklage, die SPD und Grüne angekündigt haben.

In diesem Gesetzesentwurf werde sehr viel gefordert und sehr wenig gefördert, machte Kreisvorsitzender Guido Hoyer klar. Und es würden viele Phrasen gedroschen, wenn etwa von bayerischer Identität, bayerischer Leitkultur, bayerischen Sitten und Gebräuchen die Rede sei. "Wir haben es hier mit einem Gesetz zu tun", meinte Hoyer süffisant, "in dem steht, dass die Gesetze zu beachten sind". Der Entwurf sei inakzeptabel. Die angedrohten Strafen bedrohten die gesamte Bevölkerung, "man will Menschen disziplinieren", sagte er.

Auch Mastaneh Ratzinger, VNN-Landessprecherin, sprach von einem Gesetz, das völlig diffus sei, das sie persönlich betroffen mache, das einen Scherbenhaufen hinterlasse - auch bei Behörden und Ämtern. Denn dort wisse man gar nicht, was bayerische Leitkultur sei. Ratzinger sah in dem Entwurf eine Einschränkung des Grundgesetzes, der nur Maßregelungen vorsehe und keine Sicherheit biete. Mit Drohungen könne keine Integration erfolgen, hier würden so viele Gesetze ausgehebelt, "dass man Verfassungsklage erheben muss". Diese Vorlage sei "Futter für die Rechten", sagte sie, Integration schaffe man so nicht. Es werde bewusst ein Keil in die Gesellschaft getrieben, "das macht mich traurig".

Hoyer hatte zu Beginn die kuriosen Inhalte des Entwurfs zusammengefasst. Etwa, wenn die Rede sei von Viertelmigranten. Wenn angekündigt werde, den Flüchtlingen die Kosten der Sprachkurse aufzuerlegen, wenn sie die Sprache nicht richtig erlernten. Wenn damit gedroht werde, ihnen die Kosten für einen Dolmetscher bei Behörden aufzubürden. "Wer diese Formulare ausfüllen muss, die den Flüchtlingen gegeben werden, der verzweifelt", sagte Ratzinger, nicht einmal die Helfer kämen mit dem Behördendeutsch klar. Kinder vom Schulbesuch auszuschließen, Asylbewerbern den Wohnort vorzuschreiben, Asylbewerbern oder "unerlaubt Aufhältige" ohne richterlichen Beschluss erkennungsrechtlichen Maßnahmen zu unterziehen, Schwimmbadbesucher, die verdächtigt werden, Ausländer zu sein, grundsätzlich zu belehren, wie sie sich zu verhalten hätten, das alles seien Maßnahmen, durch die die Würde der Menschen verloren gehe, so Ratzinger. Deshalb sei es wichtig, gegen dieses Gesetz "lautstark" vorzugehen. "Noch dürfen wir das", sagte sie, darauf anspielend, dass jene, die durch "demonstrative Regelverstöße" auffielen, ein "Grundkurs über die freiheitlich demokratische Grundordnung" oder eine Geldbuße auferlegt werden könne.

Auch in der Diskussion wurde der Gesetzesentwurf als "eindeutig verfassungswidrig" eingestuft, er verstoße gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, meinte ein Teilnehmer. Einer sagte, "mir schaudert vor diesem Gesetz". Ein anderer meinte, es sei eine Sammlung von Vorurteilen. Das Gesetz sei "Assimilation mit dem Holzhammer", niemand brauche es, hieß es, der Ruf nach der Leitkultur sei nahe am "Orban-Denken", der rechte Rand werde dadurch nur gestärkt. Wer seine Heimat verlasse und ins Ausland gehe, sagte Kreisrat Samuel Fosso (Freisinger Mitte), wolle sich in Freiheit wohlfühlen, der wolle sich integrieren, der sei bereit, eine neue Kultur anzunehmen. Er ärgere sich deshalb nicht über dieses Gesetz: "Ich lache mich tot darüber.

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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