Förderprojekt:Von Sportlern lernen

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Der SV Zukunft, der in diesem Jahr sein zehnjähriges Bestehen feiert, arbeitet oft mit Top-Athleten zusammen. Sie zeigen Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen, wie man mit Rückschlägen umgeht

Von Luise Helmstreit, Freising

"Michaela Gerg galt als Ausnahmetalent im Skisport. Nach einen schweren Sturz während der Olympischen Spiele 1988 musste sie wieder bei Null anfangen und hat sich zurück nach oben gearbeitet", erzählt Birgit Mooser-Niefanger, Gründerin der Initiative SV Zukunft. "Spitzensportler wie sie haben gelernt, mit Rückschlägen umzugehen." Diese und weitere Fähigkeiten sollen sie an Jugendliche weitergeben, die Schwierigkeiten haben, den Sprung von der Schule ins Berufsleben zu schaffen. "Die Geschichten der Sportler sind für die Jugendlichen so eindrücklich, dass sie problemlos Verbindungen zu ihrer eigenen Lebenswelt herstellen können", erklärt die Projektleiterin.

In den zehn Jahren seines Bestehens haben mehr als 14 000 Jugendliche die Workshops des Vereins durchlaufen. "Wir haben in Deutschland unglaublich viele Ausbildungsstellen, die leer bleiben. Dabei wären durchaus genug junge Leute da. Viele von ihnen sind aber einfach noch nicht ausbildungsreif", meint Mooser-Niefanger. "Die wollen wir mit Sozialkompetenz und Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten ausstatten sowie mit den Werkzeugen, die sie brauchen, um sich in dieser Gesellschaft zurechtzufinden." Viele Jugendliche, meint sie, seien überfordert mit den Herausforderungen, die nach der Schule auf sie zukommen. Wohnungssuche, Versicherungsscheine, rechtliche Probleme und Papierkram seien für sie wie Wandern im Dschungel. "Sport ist eine gute Metapher, um zu lernen, damit umzugehen", erklärt Mooser-Niefanger. "Oft geht es bei uns um den Umgang mit Niederlagen. Jeder kann zum Beispiel nachvollziehen, dass bei einem Elfmeter sowohl Torhüter als auch Torschütze unter großem Druck stehen und vielleicht aus Nervosität einen Fehler machen."

Im Fokus des Programmes stehen Jugendliche aus sozialen Randgruppen, die es nicht leicht haben. "Von manchen Lebenswelten dachte ich nicht, dass es sie in Deutschland gibt", erzählt Mooser-Niefanger, "und je älter die Jugendlichen werden, umso desolater wird ihre Situation. Wir versuchen, sie im Alter von dreizehn bis vierzehn Jahren abzufangen und sie bei ihrer Persönlichkeitsbildung zu unterstützen."

Oft sind Sportler beim SV Zukunft zu Gast, die es trotz körperlicher Einschränkungen an die Spitze geschafft haben. Verena Bentele, zwölfmalige Paralympicssiegerin im Biathlon und Skilanglauf, ist blind. Auch sie stürzte schwer, nachdem ihr Begleitläufer ihr die falsche Richtung angesagt hatte. Danach musste sie lernen, wieder einer anderen Person zu vertrauen. Um das Thema Vertrauen drehte sich auch ein Workshop mit ihr. "Ebenso wie die meisten Schüler in unseren Seminaren hatten Paralympics-Teilnehmer keine idealen Ausgangsbedingungen, haben sich aber trotzdem an die Spitze gekämpft. Sie haben oft eine besondere Strahlkraft", erklärt Mooser-Niefanger.

In der Regel finden Workshops über einen längeren Zeitraum statt, es gibt Trainingseinheiten zu Teamgeist, Motivation und Koordination. "Wir versuchen, auf die Probleme jedes einzelnen einzugehen." Bezahlen müssen Schulen und Eltern nichts, der SV Zukunft finanziert sich durch Spenden und öffentliche Förderung. Die Ersten, die das Programm durchlaufen haben, sind inzwischen Mitte zwanzig. "Viele von ihnen haben funktionierende Partnerschaften, Kinder und gute Berufsaussichten", erzählt Mooser-Niefanger. Über Facebook ist sie noch immer mit vielen ihrer ehemaligen Schützlinge in Kontakt. "Ich erinnere mich fast an jeden einzelnen."

© SZ vom 22.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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