Flüchtlingskinder :"Wir schaffen das"

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Die Kinder von Flüchtlingsfamilien müssen auch in die Schule. Viele sind traumatisiert und können kaum ein Wort Deutsch. Für die Lehrer ist das eine Herausforderung, die sie dennoch meistern wollen

Von Gudrun Regelein, Freising

Nahezu 1500 Flüchtlinge leben momentan im Landkreis, darunter viele Familien mit Kindern. Das Amt für Jugend und Familie Freising betreut derzeit 294 minderjährige Flüchtlinge - darunter 60 unbegleitete minderjährige Asylbewerber - und neun volljährige berufsschulpflichtige Asylbewerber. Sie alle müssen nach einer Übergangszeit von drei Monaten eine Schule besuchen. Der Landkreis will deshalb einen Arbeitskreis "Asyl und Schule" einrichten. An diesem sollen Vertreter des Staatlichen Schulamtes, des Amtes für Jugend und Familie und der Polizei teilnehmen. "Allerdings stehen wir noch ganz zu Beginn der Überlegungen", sagt Anita Fußeder, Pressesprecherin im Landratsamt. Vorbereitende Sprachkurse für unbegleitete minderjährigen Flüchtlinge, die Analphabeten sind oder nur sehr geringe Sprachkenntnisse besitzen, gibt es aber bereits. Insgesamt 21 Jugendliche nehmen daran teil, im Anschluss werden sie in den dafür eingerichteten Berufsschulklassen unterrichtet.

An der Freisinger Berufsschule besuchen derzeit etwa 50 junge Flüchtlinge insgesamt drei Klassen - eine davon nur für unbegleitete minderjährige Jugendliche. In den Klassen funktioniere alles problemlos, die Stimmung sei gut. "Ich denke, die jungen Flüchtlinge sind froh, hier zu sein und feste Strukturen zu haben", sagt Schulleiter Matthias Fischer. Die Raumnot sei es, die ihm Sorgen bereite: "Wir sind momentan bis unters Dach voll." Die Enge sei für ihn das große Thema, er hoffe, dass der geplante Neubau bald fertig sei. Sonst aber laufe alles problemlos: Lehrer gebe es für die Flüchtlingsklassen genügend, und mit zwei Jugendsozialarbeitern, einer Schulpsychologin und einem speziell ausgebildeten Lehrer des Mobilen Sonderpädagogischen Dienstes sei man "komfortabel" ausgestattet.

Auch in der Paul-Gerhardt-Schule in Freising und in der Moosburger Mittelschule wurden zwei neue Übergangsklassen, die Schüler besuchen, die noch nicht länger als zwei Jahre eine deutsche Schule besuchen und die nur sehr geringe Deutschkenntnisse haben, gebildet. Diese werden wohl bald voll sein: "Täglich werden es mehr Schüler. Aber wir haben dennoch keine dramatische Krisensituation im Landkreis", sagt Karl Rauscheder, Schulrat im Schulamt Freising. In den Übergangsklassen werde der Fokus auf den Spracherwerb gelegt, zehn Stunden Deutschunterricht in der Woche stehen auf dem Plan. "Ansonsten lernen die Kinder und Jugendlichen gesellschaftliche Alltagskompetenz, beispielsweise, wie man sich ein Zugticket kauft", erklärt Rauscheder. Es werde auf allen Ebenen versucht, Integrationshilfen zu geben, sagt er. So initiierte Rauscheder kürzlich den Arbeitskreis Migration, in dem erfahrene Lehrkräfte sitzen. Diese werden Lehrer unterstützen, die bislang keine Erfahrungen mit Schülern haben, die kaum Deutsch sprechen. Beispielsweise durch Gespräche oder Ideen, wie man mit Spielen den Unterricht sinnvoll gestalten könnte. "Die Lehrkräfte werden mit den häufig traumatisierten Kindern aber schon jetzt nicht alleine gelassen", sagt Rauscheder. Der schulpsychologische Dienst sei bereits im Landkreis unterwegs, zudem seien Schulungen zum Umgang mit traumatisierten Kindern geplant.

Die Marina-Thudichum-Grundschule in Haag besuchen derzeit zwei Kinder von Asylbewerbern. Eine ehrenamtlich tätige Kollegin habe während der Sommerferien fünf ausländische Kinder und Jugendliche täglich eine Stunde in Deutsch unterrichtet, berichtet Kerstin Rehm, Schulleiterin und Kreisvorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV). Ein afghanisches Mädchen, das mit ihrer Familie erst kurz vor den Sommerferien in den Landkreis kam, konnte zum Beginn des neuen Schuljahrs bereits erste Sätze sprechen. "Kinder lernen sehr schnell und können sich auch gut integrieren", sagt Rehm. Sie erlebe bei den Schülern und deren Eltern eine große Bereitschaft, in Deutschland Fuß zu fassen.

Unterstützung gebe es, berichtet Rehm. So habe das Schulamt eine Lehrerin abgestellt, die an verschiedenen Schulen für jeweils einige Wochen einen Intensivkurs, in dem die ersten Grundlagen der Sprache gelernt werden, anbietet. Zudem sollen weitere Lehrkräfte, Sozialarbeiter und Psychologen eingestellt werden. Natürlich sei es keine leichte Situation, sagt Rehm, aber: "Wir haben die moralische Pflicht, Menschen aus Kriegsgebieten, die teilweise Schreckliches erlebt haben, zu helfen." Sie hofft nun darauf, dass die versprochenen Gelder für die Schulen - in Bayern sollen 67 Millionen Euro aus dem Nachtragshaushalt zur Verfügung gestellt werden - bald freigestellt werden. "Wir schaffen das, wenn wir diese Unterstützung bekommen."

© SZ vom 17.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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