Fledermäuse in Gefahr:Wohnungsnot und Nahrungsmangel

Lesezeit: 2 min

Alfons Aigner (2. von links) hat bei einer Führung durch den Wald viel Wissenswertes über das Leben der Fledermäuse erzählt. (Foto: Einfeldt)

Bei einer nächtlichen Wanderung durch den Wald erklärt Experte Alfons Aigner, warum fast alle Fledermaus-Arten bedroht sind. Unter anderem trägt die Landwirtschaft mit ihren Insektiziden dazu bei

Von Alexandra Vettori, Freising

Als alle schon ganz schön lang durch den Wald gewandert sind, öffnet Alfons Aigner seinen schwarzen Rucksack und holt einen Baumwollbeutel hervor. Er öffnet ihn vorsichtig und hält ein kleines, graubraunes Tierchen in der Hand, kaum größer als sein Daumen. Glücklichweise. Denn in dem weit aufgerissenen Maul blinken weiße Reißzähne, ein schnarrendes Fiepen begleitet die Drohgebärde. Es ist eine Zweifarben-Fledermaus, die Aigner da zeigt, nur die wenigsten der Betrachter wagen, das kämpferische Wesen anzufassen. Ein Pflaster ist um das Tier gewickelt, der Flügel ist verletzt und muss ruhig gestellt werden.

Seit über 20 Jahren beschäftigt sich der Freisinger mit Fledermäusen, inzwischen auch ehrenamtlich als Fledermausbeauftragter des Landkreises. Mehrmals im Jahr veranstaltet er für Kinder und Erwachsene Führungen, bei denen er die immer seltener werdenden Nachttiere vorstellt. Auch an diesem Samstagabend ist er mit zehn Leuten im Alter zwischen fünf und 75 Jahren im Wald unterwegs, auf Einladung des Landesbundes für Vogelschutz.

Fast alle Fledermaus-Arten sind gefährdet, trotzdem gibt es immerhin 16 verschiedene im Landkreis, bundesweit sind es 24. In früheren Zeiten wurde die Fledermaus als Unheilbringer getötet, heute nimmt ihre Zahl aus anderen Gründe ab. "Wohnungsnot und Nahrungsmangel", sagt Aigner. Die alten Häuser, in deren Dachböden sich Fledermäuse verstecken könnten, weichen glatten, gedämmten Fassaden ohne Spalten und Löcher. Alte, morsche Bäume werden gefällt, weil sie ein Sicherheitsrisiko oder zu wenig lukrativ für die Waldwirtschaft sind, dazu sorgt die industrielle Landwirtschaft mit ihren Insektiziden dafür, dass es immer weniger Insekten und damit Nahrung für die Fledermäuse gibt. Immerhin braucht ein Abendsegler neun Gramm am Tag.

Doch Aigner weiß auch positive Beispiele. In Mauern etwa wohnt in einem alten Haus die größte Fledermauskolonie im Landkreis, 350 Tiere. Kürzlich sei das Haus verkauft worden, "da hatte ich schon Angst, weil dann wird meistens abgerissen", so Aigner. Die neuen Besitzer erwiesen sich aber als Fledermausfreunde, die gern mit dem Landkreis-Beauftragten zusammen arbeiten. Auch bei einer Kiesgrube in Hallbergmoos, dem einzigen Vorkommen des Kleinen Abendseglers im Landkreis, hat Aigner einen Sieg errungen. Ein Wäldchen bei der Kiesgrube hätte gefällt werden sollen, er protestierte beim Chef des Freisinger Forstamts persönlich - und der hat das Wäldchen dann stehen lassen.

Was jeder einzelne tun kann, erfahren die Teilnehmer auch: Holzverkleidungen und Fensterläden an Häusern anbringen und Dachböden mit Hohlsteinen und Lüfter-Ziegeln versehen. Während im dämmrigen Wald die Fledermäuse über die Köpfe der kleinen Gruppe flattern, berichtet Aigner, dass jetzt bald die Paarungszeit beginnt. Über den Winter legen die befruchteten Eier eine Eiruhe ein, schwanger wird die Fledermaus erst, wenn es wieder wärmer wird. Die Weibchen tun sich dann in Wochenstuben zusammen, dort gebären sie ein Junges, manchmal Zwillinge.

Für die Geburt hängt sich Mama Fledermaus mit einer Kralle an die Decke, die andere spannt die Flughaut auf und fängt das Junge auf. Schon bald können die Kleinen selbständig hängen, sie tun das im Pulk, die Mütter kommen alle zwei Stunden, um sie zu säugen. Wenn demnächst die Holzheiz-Saison beginnt, rät Aigner, solle man genau auf die Scheite schauen. Oft nämlich würden sich hier Fledermäuse verkriechen. Manchmal flatterten sie dann im Wohnzimmer herum, viele aber, vermutet Aigner, landeten im Ofen.

© SZ vom 29.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: