Feinste Unterhaltung:Alle Erwartungen übertroffen

Lesezeit: 2 min

Der Freisinger Norbert Bürger (rechts) ist am Sonntag mit Sebastian Rüger und dem Rest des Lach- und Schießensembles im Lindenkeller zu Gast gewesen. Das Publikum erlebte einen großartigen Abend. (Foto: Marco Einfeldt)

Das Lach- und Schieß-Ensemble bietet im Lindenkeller bestes Kabarett zum Mitdenken, gepaart mit wirklich guter Comedy und einem Appell zur Rettung der Kultkneipe "Abseits"

Von Florian Beck, Freising

So gut wie jeder im Großraum München lebende Kabarett-Liebhaber wird zwangsläufig schon von der "Lach- und Schießgesellschaft" gehört haben. Deutlich weniger Leuten dürfte bekannt sein, dass diese in der Nähe der U-Bahnstation Münchner Freiheit gelegene Kleinkunst- und Kabarettbühne mit ausgezeichnetem Programm auch ein eigenes Ensemble auf die Beine gestellt hat.

Den Lindenkeller hat eben jenes Lach- und Schieß-Ensemble am vergangenen Sonntag dennoch gut gefüllt, was vermutlich mit daran lag, dass eines der vier Mitglieder Norbert Bürger ist - in Freising unter anderem durch sein großes Engagement für die Rettung der Kultkneipe "Abseits" bekannt und beliebt. Doch auch die anderen drei Ensemblemitglieder brauchen sich nicht zu verstecken: Einmal ist da Caroline Ebner, die an den Münchner Kammerspielen und am Deutschen Schauspielhaus Hamburg engagiert war, und dann sind da noch die beiden Kabarett-erfahrenen Masterminds der Truppe, Frank Smilgies und Sebastian Rüger, die mit ihrem Duo "Ulan und Bator" bereits auf zahlreichen deutschen Bühnen für Furore gesorgt haben.

Bei dieser fulminanten Viererkonstellation geht man selbstverständlich mit höchsten Erwartungen in den Abend - und trotzdem hat das Quartett es am Sonntag bei so gut wie allen Gästen geschafft, diese Erwartungen noch zu übertreffen. Mit ihrer ganz individuellen Art des Vortragens und mit ihrer eigenwilligen Mischung aus höchst politischem, anspruchsvollem und gesellschaftskritischem Kabarett und wirklich guter Comedy bewiesen die Vier eindrucksvoll, wie fließend die Grenzen zwischen Unterhaltung und Kunst doch sein können.

Am besten in Erinnerung wird wohl ihr grandioser Sketch vom "Europapark Frust" bleiben. Darin mimt das Ensemble eine Familie, welche die verschiedenen, als Metapher zu sehenden Achterbahnen fahren will: Einmal den Reformpark, das "gemütlichste Fahrgeschäft im ganzen Europapark", dann die "Brexit-Bahn", an deren Ende die Wagen ungebremst gegen eine Wand knallen, und zu guter Letzt die "Viktor-Or-Bahn", ein braunes Fahrgeschäft, das in der Zeit zurück fährt.

Mit dieser immensen Klasse ging es den ganzen Abend weiter. Ebenfalls großartig war die Szene, in der die Vier ein Theaterensemble spielten, dass nach der Einführung einer von der AfD in Niedersachsen tatsächlich geforderten Verpflichtung für Theater, einen "positiven Bezug zur Heimat" zu fördern, nun ihr Stück leicht umgestalten muss. Dabei mutiert der Hauptdarsteller stimmlich wie äußerlich immer mehr zu Adolf Hitler und brüllt auf Anweisung des Regisseurs am Ende nur noch "germanisch depressiv" Heimat.

Doch das beste am Abend war: Der Zuschauer musste mitdenken. Es reichte nicht wie bei so vielen anderen aus, einfach nur dazusitzen und zuzuhören, man brauchte für die ein oder andere Pointe wirklich lange. Und hatte deshalb auch auf dem Heimweg noch Freude, wenn einem plötzlich noch die ein oder andere versteckte Stichelei auffiel.

Selbstverständlich hatte das Ensemble dann aber auch noch eine ernsthafte Botschaft zum Thema Abseits-Rettung dabei, die dem Quartett sichtlich am Herzen lag - und die für den wohl größten Applaus des Abends sorgte: "Wer will, findet Wege, wer nicht will, findet Gründe!"

© SZ vom 02.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: