Fahrgäste klagen:Angriff mit der Spraydose

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In der S-Bahn sprüht eine Neufahrnerin mutmaßlich einem Bekannten ins Gesicht. Vor Gericht erinnert sie sich nicht daran

Von Alexander Kappen, Freising/Neufahrn

Es war eine etwas seltsame Geschichte: Ein Morgen im Juli 2017. Eine 20-jährige Neufahrnerin sitzt mit einem Bekannten in der S-Bahn, sie sind auf dem Heimweg von einer Party und haben offenbar einiges getrunken. Plötzlich zieht sie eine Spraydose aus der Tasche und sprüht ihrem Begleiter ins Gesicht. Auf Nachfrage der jungen Frau, meint er, es sei alles in Ordnung. Darauf zieht sie eine größere Flasche heraus und sprüht abermals. Eine große Reizgaswolke verteilt sich im Zug. Fünf Fahrgäste klagen anschießend über Hustenreiz, Halsschmerzen, Kopfweh und Atemnot.

So hat es ein Zeuge der Polizei berichtet, weshalb sich die 20-Jährige - die zum Prozessauftakt die Vorwürfe zurückweist - jetzt vor dem Freisinger Amtsgericht verantworten muss. Ihr wird von der Staatsanwaltschaft gefährliche Körperverletzung in fünf Fällen vorgeworfen. Da besagter Zeuge, der bei dem Vorfall in der Sitzgruppe direkt neben der 20-Jährigen gesessen haben will, nicht zur Gerichtsverhandlung erschien, unterbrach Richter Boris Schätz die Verhandlung. Sie wird Anfang Februar fortgesetzt.

Die Angeklagte stritt am ersten Verhandlungstag alles hab. Sie sei an besagtem Tag mit ihrem Bekannten nach einer Feier mit der S-Bahn nach Hause gefahren, das schon. "Aber da war nichts Besonderes", sagte sie. Ja, sie besitze Tränengas, räumte sie auf Nachfrage des Richters ein, "aber ob ich es an diesem Tag dabei hatte und ob ich es in der S-Bahn benutzt habe, weiß ich nicht". Sie gehe aber "sehr stark davon aus, dass ich es nicht benutzt habe. Was gäbe es denn für einen Grund dafür?"

Der Richter hielt der Angeklagten die Polizeiaussage des Hauptzeugen vor. Demnach habe sie ihrem Begleiter zunächst ein Spray ins Gesicht gesprüht und gefragt: "Gehts?" Als dieser signalisiert habe, dass alles okay sei, habe sie ihm ein anderes Spray ins Gesicht gesprüht. Der Zeuge nebenan habe sofort gehustet und nicht mehr reden können, alle Leute im Waggon hätten gehustet.

"Ich habe mit gar nichts herumgesprüht", sagte die Angeklagte. Auf die Frage des Staatsanwalts, wie sie sich dann Zeugenaussage erkläre, antwortete sie: "Ich kann mir das gar nicht erklären." Sie und ihr Begleiter seien lediglich vom Feiern heimgefahren. Auf der Party habe sie wohl einiges getrunken. "Wahrscheinlich Jacky-Cola, das ist mein Lieblingsgetränk. Und dazwischen trinke ich meistens noch ein paar Stamperl." Was sie an besagtem Tag genau getrunken habe, wisse sie nicht mehr.

Ein Hauptkommissar der Bundespolizei, der mit dem Fall betraut war, berichtete vor Gericht von einem Großaufgebot mit Feuerwehr, Krankenwagen, Landes- und Bundespolizei, das an dem Tag im Einsatz gewesen sei. Auffallend sei gewesen, "dass alle Beteiligten die Wirkung des freigesetzten Reizgases als ganz extrem bezeichnet haben, das ist nicht immer so, ich habe solche Fälle ja öfter", sagte der Polizist. Von dem Reizgas betroffen gewesen sei wohl eine Anzahl von Menschen "im zweistelligen Bereich, darunter auch Reisende mit Kleinkindern".

Die Angeklagte und ihr Begleiter seien bei der Polizeivernehmung sehr nervös gewesen, sagte er, beide hätten behauptet, sich an nichts erinnern zu können. Vor allem beim Begleiter der 20-Jährigen wollte der Polizist das nicht so recht glauben. Nach Aussage des Hauptzeugen "ist der nach dem zweiten Spray sofort umgekippt, wenn einem so was passiert, erinnert man sich doch zumindest noch an irgendetwas". Die Angeklagte habe erzählt, sich in ihrem Leben schon mehrmals bis zur Bewusstlosigkeit betrunken zu haben. Womöglich auch am betreffenden Tag. Als er ihr von den betroffenen Kleinkindern erzählt habe, so der Polizist, "hat sie längere Zeit geweint".

Die Aussagen des Hauptzeugen wertete er als "absolut glaubwürdig, er hat ganz viele Details gewusst und meine Erwartungen um das zigfache übertroffen". Der Zeuge soll zum nächsten Verhandlungstermin im Februar dann noch einmal geladen werden.

© SZ vom 26.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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