Europäisches Künstlerhaus:Systematisches Linien-Gewirr und Styropor-Halbkugeln

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Andreas Stetka, Joachim Maria Hoppe, Valentino Betz, Florian Ecker und Heike Berl (v. l.) zeigen derzeit ihre Werke bei der Ausstellung "Wo das Wort ist". (Foto: Marco Einfeldt)

Ausstellung im Schafhof zeigt, auf welch vielfältige Weise das Wort in der bildenden Kunst auftauchen kann

Von Katharina Aurich, Freising

Für die Ausstellung "Wo das Wort ist - Sprache in der bildenden Kunst" des Europäischen Künstlerhauses Schafhofs hatten sich in einer Ausschreibung 25 Künstler beworben. Gezeigt werden nun sechs Positionen verschiedener Sparten, in denen das "Wort" in vielfältiger Weise auftauche, erläutert Schafhofleiter Eike Berg, als Zeichen, als Symbol, als Anagramm, Brailleschrift oder im Klang einer alten Kirchenglocke. Denn der Klang entstehe bei der Aussprache von Wörtern und damit sei auch der Bogen zum Jahresthema "Sound" des Schafhofs geschlagen.

Im Ausstellungsraum begrüßt den Betrachter eine riesige alte Glocke, die an einem Baugerüst hängt. "Seid fröhlich in Hoffnung", ist darauf eingraviert. Auf der Glocke, die 1930 gegossen wurde und in der Christuskirche in Erding schlug, befinden sich sechs Tonabnehmer. Sie übertragen die sechs Eigenfrequenzen der Glocken, die die Künstler Valentino Betz und Florian Ecker für ihre Installationen aufgezeichnet haben und die nun über einen Computer abgespielt und auf die Oberfläche der Glocke übertragen werden. Legt man die Hand auf den Klangstahl, fühlt man ein leichtes Vibrieren und hört einen beständigen, brummenden Ton - den Nachklang des früheren, realen Glockenschlags, wie die beiden Künstler erklären.

Zu Assoziationen will auch der Bildhauer Joachim Maria Hoppe mit seine Installation "Du", zwei Bögen aus Bronze und Eichenholz, die sich aneinander lehnen, inspirieren. Dem D fehlt allerdings die Gerade. Diese beiden Bögen beschrieben einen gemeinsamen Weg, erläutert Hoppe. Sie benötigten einander, um als Installation stehen zu bleiben, seien aber auch offen und wiesen auf ein Spannungsverhältnis hin. "Du" könne ein Symbol der Verständigung sein, einen Aufbruch symbolisieren oder Bewegung, beschreibt Hoppe. In seiner Zweikanal-Videoinstallation "wuerde" setzt sich Andreas Stetka mit dem Satz "Die Würde des Menschen ist unantastbar" auseinander. Auch große Worte seien zerbrechlich, daher habe er diesen Satz als ein Anagramm auseinander genommen und aus der Buchstabenfolge durch Umstellung 226 neue Sätze geschaffen, in denen alle Buchstaben des Ursprungssatzes vorkommen, erläutert er. Amüsante und überraschende neue Erkenntnisse wie "absurd wie nett dem sünder satan schien" "und manch nutte die weiss da besseren rat" werden auf zwei Wände projiziert und erstaunen den Betrachter.

Claudia Barcheri zeigt mit zwei Studien in Fineliner auf Transparentpapier ein netzartiges, grafisches Gebilde als verfremdeten Schriftzug eines Ausweises. Das systematische Gewirr aus Linien und Richtungswechseln zeige Buchstaben als eine Illusion von Identität und Freiheit, erläutert Schafhofleiter Berg. In den Zeichnungen und Objekten von Heike Berl finden sich Buchstaben und geometrische Flächen, die auf handgeschöpftem Papier miteinander korrespondieren. Mit Form- und Wortassoziationen werden konkrete Inhalte, zum Beispiel Songtexte, zerlegt, die Silbe "ri" und der Buchstabe "r" sind auf zwei Bildern in Mischtechnik zu sehen.

Alexis Dworsky zeigt "Lorem ipsum", Styropor-Habkugeln auf eine Wand montiert. Die beiden Worte hätten keinerlei Bedeutung, sie würden lediglich als Platzhalter verwendet, erläutert Berg. Diese überdimensionale Blindenschrift verliere seine Funktion für Sehbehinderte und werde für Sehende unübersehbar, die ursprüngliche Funktion habe sich verschoben.

Die Ausstellung ist bis zum 20. Juli im Schafhof zu sehen.

© SZ vom 03.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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