EU-Projekt:Kritisch, nachhaltig und erfinderisch

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Eine wissenschaftliche Studie untersucht, welchen Einfluss Verbraucher auf ökologische Innovationen haben

Von Katharina Aurich, Freising

Verbraucher konsumieren nicht nur, einige werden auch unternehmerisch aktiv, gründen Firmen oder erfinden Produkte, die nachhaltiger und umweltverträglicher sind. Die dreijährige Studie "EU-Innovate", an der Wissenschaftler aus 14 europäischen Forschungseinrichtungen beteiligt waren, hat untersucht, welchen Einfluss Konsumenten auf nachhaltige und ökologische Innovationen und die Gründung neuer Firmen in diesem Bereich haben. Koordiniert wurde das 4,7 Millionen Euro umfassende Projekt von Frank-Martin Belz, der die Professur für unternehmerische Nachhaltigkeit an der TU München in Weihenstephan inne hat.

Ob Ökostrom-Anbieter oder Car-Sharing, Bioläden oder Ökolandbau - all diese Unternehmenszweige entstanden aus der Unzufriedenheit von Konsumenten, die sich nicht mit dem bestehenden System zufrieden geben, sondern etwas ändern wollten. So sei zum Beispiel die Erzeugung von Strom aus Windenergie nicht von großen Konzernen angestoßen worden, sondern von Nutzergemeinschaften und Tüftlern, schildert Belz. Beschleunigt haben diese Entwicklung die neuen Informationstechnologien Anfang des 21. Jahrhunderts.

In Online-Foren tauschen sich die Gründer aus, neue Ideen können effizient verbreitet werden. Immer wieder erweitern Konsumenten ihre Rolle und würden auch Unternehmer, sogenannte "Prosumer", schildert Belz. Ein typisches Beispiel sei "Polarstern". Drei junge Uniabsolventen wollten etwas dagegen tun, dass die Gletscher immer weiter zurückgehen. Sie entwickelten eine neue Geschäftsidee, um aus Reststoffen grüne Energie zum Heizen zu gewinnen und den Kohlenstoffausstoß zu verringern. Zunächst hatten sie bei großen Unternehmen angefragt - ohne Erfolg. Da entschieden sie, ihre Idee selbst umzusetzen. Seit 2012 bietet Polarstern Ökostrom und Biowärme an. Um die globale Energiewende einzuläuten, stiften sie für jeden Kunden eine kleine Biogasanlage in einem Entwicklungsland. Denn sie wollen nicht nur profitabel sein, sondern auch ökologische und soziale Kriterien erfüllen.

Was sind nun die Voraussetzungen dafür, dass aus einer Idee ein Unternehmen wird?, fragten die Wissenschaftler von EU-Innovate. Zunächst würden Menschen auf ein ökologisches Problem aufmerksam, dann sähen sie eine unternehmerische Chance, schildert Belz ein Ergebnis der Studie. Aber es gebe immer noch zu wenige, die sich dies zutrauten. Immerhin wurde in der Studie eine ganze Reihe erfolgreicher Gründungen erfasst: Ein Beispiel ist "life-food" aus Tschechien. Eine junge Frau hatte in den USA rohes, veganes Essen kennengelernt, sie glaubte an die Nachfrage in Europa und begann zu Hause, selbst derartige Gerichte herzustellen und zu vermarkten. Inzwischen beschäftige sie 250 Mitarbeiter und sei führend in Europa.

Natürlich brauche man unternehmerische Fähigkeiten, sagt Belz. Eine weitere Firma, die in der Studie analysiert wird, ist Coffeecircle. Die Firmengründer waren über die Arbeitsbedingungen auf den Kaffeeplantagen in Äthiopien empört und entwickelten ein Modell für fairen Handel, als direkte Brücke zwischen Produzenten und Konsumenten. Belz träumt von einem Europa, in dem nachhaltig gelebt und produziert wird. Der Massenkonsum, der auf Kosten der Umwelt gehe, sei nicht unumstößlich. Viele kleinere, regionale Unternehmen schafften Veränderungen. Ein Ergebnis der Studie lautet, dass der Unternehmergeist in Europa erstarke. Die Gründer seien häufig nicht mehr ganz jung und wollten etwas Sinnvolles tun, beschreibt der Wissenschaftler. Viele hätten erkannt, dass unser System langfristig nicht funktionieren werde. Belz bietet an der TU München auch Kurse für Studierende an, wie man nachhaltige Unternehmen gründet.

© SZ vom 17.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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