Es geht nicht darum, jemanden zu besiegen:Respekt vor dem Gegner

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Im Gewölbekeller des Haager Brauhauses üben sich Kinder und Erwachsene regelmäßig in der japanischen Kampf- und Verteidigungskunst Aikido. Ziel ist es, die Kraft eines Angreifers umzuleiten

Von Katharina Aurich, Haag

Aus dem Handgelenk: Sanna Karlsson und Torsten Menz trainieren unter Aufsicht von Aikidolehrer Christian Taschner (rechts) den Kotegaeshi, einen Hebelwurf. (Foto: Stephan Goerlich)

Im großen Gewölbekeller des historischen Haager Brauhauses werfen sich Kinder und Erwachsene in weißen Anzügen gekonnt gegenseitig auf den weichen Mattenboden. Ihre Lehrer Christian Taschner und Sanna Karlsson geben Anweisungen, korrigieren die Bewegungen und vermitteln die Prinzipien der japanischen Kampf- und Verteidigungskunst Aikido. Dabei treten sich die beiden Trainingspartner freundlich und respektvoll gegenüber.

Vor allem aber werden der eigene Körper gekräftigt und die Standfestigkeit geübt, dazu kommen Fall- und Dehnübungen, Vorwärts- und Rückwärtsrollen. "Unser Ziel ist es, eine stabile Haltung zu entwickeln und aus unserer Körpermitte heraus den Angriff zu führen", schildert Taschner. Aikido sei auch eine sehr gute Form der Selbstverteidigung. Denn es gehe nicht darum, jemanden zu besiegen, sondern die Kraft eines Angreifers umzuleiten und ihn auf den Boden zu werfen.

Vor zwei Jahren zog der Aikido-Lehrer aus einem nur 50 Quadratmeter großen Raum in Palzing in das große Kellergewölbe des Brauhauses, das auf 90 Quadratmetern mit einem Spannboden und Matten ausgelegt wurde, damit die Kämpfer weich fallen. In der Aikidoschule hängt auch ein Foto des Gründers der Sportart, das zusammen mit Blumen, Kerzen und Bildern weiterer Meister an den Geist des Aikido erinnert. Auch ein mannshoher Spiegel hängt an der Wand, denn zum Aikido gehöre, sich selbst zu betrachten, zu reflektieren und sich zu verbessern, sagt der Lehrer. Taschner hat bereits den vierten Dan von acht, eine Könnerstufe, die auch an der Farbe des Gürtels erkennbar ist.

Entwickelt hatte Aikido der Japaner Morihei Ueshiba (1883 - 1969 ), der von seinen Anhängern auch O'Sensei genannt wird, was so viel wie "großer Lehrer" bedeutet, wie Taschner erklärt. O'Sensei hatte japanische Kampfkünste studiert, bevor er Aikido entwickelte, dessen Wurzeln bis zu den alten Samuraischulen reichen. Das in Haag praktizierte Aikido entstand Mitte des vergangenen Jahrhunderts, Mädchen und Frauen sind gleichberechtigt. Die Hebel und Würfe würden mit so wenig Kraftaufwand wie möglich und viel Technik ausgeführt, "wir blocken und schlagen nicht, denn dafür wird viel Kraft benötigt und dabei sind Mädchen oft unterlegen", schildert Taschner. Besonders wichtig für Kinder und Jugendliche sei die Sozialisation in der Gruppe. "Zu uns kommen eher diejenigen, die nichts mit Fußball anfangen können." Zu Beginn des Trainings knien alle in einer Reihe und verneigen sich vor dem Bild O'Senseis. Aikido sei für jedes Kind, für jeden Jugendlichen geeignet, auch für die Zurückhaltenden. Sie würden durch das Training und kooperative Spiele selbstbewusster und gingen aus sich heraus, schildert Sanna Karlsson, die das Kindertraining leitet. Am Ende der Stunde verneigen sich die Schüler wieder vor dem Bild des Meisters, anschließend wird der Boden des Raums gemeinsam gekehrt, auch dies gehört zum Ritual eines Trainings.

© SZ vom 03.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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