1977. Dieses Jahr stand im Zeichen des Terrorismus: die Entführung der "Landshut" nach Mogadischu, Tod der Stammheimer RAF-Gefangenen. Auch im Landkreis Freising hat das Jahr Spuren hinterlassen. Vor 40 Jahren gründete sich das Bürgerforum, das die Westtangente verhindern wollte, die seit mittlerweile zwei Jahren in Bau ist - und es erschien das erste Mal die Süddeutsche Zeitung mit einer eigenen Beilage, den Freisinger Neuesten Nachrichten. 1977 kamen zudem Menschen aus vielen anderen Ländern in den Landkreis, die hier eine neue Heimat gefunden haben. Einer davon ist Serio Digitalino aus Wolfersdorf.
Eigentlich sei sein Bruder daran schuld, dass er vor 40 Jahren als 26-Jähriger nach Deutschland kam, erzählt Serio Digitalino. Der habe damals als Koch in München gearbeitet und ihn gefragt, ob er ihn vertreten könne. "Geplant waren drei Wochen, die er bei seiner Frau und den Kindern zu Hause in Italien bleiben wollte. Daraus geworden sind drei Jahre." Er, der ursprünglich nur die Vertretung übernehmen wollte, sei dagegen nie mehr zurückgegangen.
"Daran hatte eine Frau schuld, die ich damals kennenlernte und später heiratete", sagt Digitalino und lacht. "Ich fühlte mich wohl hier, ich bin wegen der Liebe geblieben." Den Landkreis Freising kannte er damals schon von seinen Ausflügen zu einem Reiterhof bei Tuntenhausen. "Die hügelige Gegend und die wunderschöne Landschaft hat mir sehr gut gefallen", schwärmt Digitalino. Lange dauert es nicht, dann suchte er sich hier eine Wohnung. Serio Digitalino ist nämlich nicht nur ein gelernter Koch, er ist auch Künstler - und da die Mieten schon damals in München sehr hoch waren, suchte er für sein Atelier günstigere Räume. Die fand er zunächst in Nandlstadt, später dann in Wolfersdorf. Dort hat er sich in einer ruhigen Gegend in einer Drei-Zimmer-Wohnung sein Atelier und eine Werkstatt eingerichtet. Überall sieht man seine Kunstwerke: Gemälde und Skulpturen. Im eigentlichen Wohnzimmer liegen auf einem großen, mit einer Decke abgedeckten Tisch, filigrane Reliefs aus bemalten Acrylglas. Daneben steht auf einem kleinen Stück Kunstrasen ein blau-weiß gestreifter Maibaum, unter ihm liegt ein Büchsenmännchen. Das habe er für "Extreme Bayern", ein Künstler-Treffen und samt Ausstellung in Haag, erschaffen, berichtet Digitalino. Er sei gerne in Wolfersdorf, "das hier ist mein Rückzugsort, hier komme ich zur Ruhe", sagt der Hobby-Künstler.
Schon als Kind habe er sich von der Großmutter Besen geklaut und daraus Spielsachen und Figuren gebastelt, erzählt der 61-Jährige. Ein Pfarrer habe diese gesehen und ihn gefragt, ob er für die Kirche Krippenfiguren machen wolle. "Ich habe mir Ton aus der dem Boden geholt und die Figuren dann im Ofen vom Großvater gebrannt", erinnert sich Digitalino. Er habe sich immer am liebsten mit Kunst beschäftigt, seine Lehrer hätten seiner Mutter auch immer wieder gesagt, er sei begabt, er solle die Kunstschule besuchen. "Sie aber hat gesagt, ich soll arbeiten, soll Geld verdienen." Also lernte er Koch, war dann bei der Marine - bis er 1977 nach Deutschland kam. Hier erfüllte er sich endlich auch seinen großen Traum und absolvierte ein Privatstudium bei dem Münchner Kunstmaler Helmut Vakily. Er sei freier Künstler, betont er, könne sich frei entfalten und müsse sich nicht verbiegen. Sein Geld verdient er als technischer Zeichner.
Und Italien? Seine Heimat? "Zurück dorthin will ich auf keinen Fall", sagt er sofort. "Hier ist mein Leben." Er habe seine Familie, seine Freunde und seinen Künstlerkreis, "ich fühle mich hier wohl", sagt er in fast akzentfreiem Deutsch.