Erzieherinnen sind rar:Der Markt ist absolut abgegrast"

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2013 tritt das neue Kinderförderungsgesetz in Kraft. Doch die Umsetzung im Kreis Freising droht an einem eklatanten Personalmangel zu scheitern.

Birgit Goormann-Prugger

Wenn bis zum Jahr 2013 das neue Kinderförderungsgesetz in Kraft tritt, dann wird der Landkreis Freising nicht das Problem haben, für die geforderten durchschnittlich 35 Prozent der unter Dreijährigen - rein räumlich - einen Platz anbieten zu können. Überall werden bestehende Einrichtungen zurzeit neu gebaut oder erweitert. Die Frage wird vielmehr sein, wer diese Kinder dann betreut. Schon jetzt ist der Personalmangel in Kindergärten, Horten und Kindertagesstätten spürbar und verschärft sich zusehends. Das war das Fazit einer Veranstaltung zur aktuellen Situation der Kinderbetreuung im Landkreis, bei dem Kreisräte, Bürgermeister und Kindergartenleiterinnen eine Zwischenbilanz gezogen haben.

Lukas, Dug Duy, Leila und Jakob (v.l.) vom Kindergarten am Prinzenpark haben Glück. Kindergärtnerin Marion Voss passt auf, dass es ihnen gut geht. (Foto: Marco Einfeldt)

Die Gründe für den eklatanten Personalmangel liegen auf der Hand. Es fehlt auf allen Ebenen an Wertschätzung für diesen Beruf. "Wenn ich jemandem sage, ich bin Erzieherin, dann gibt man mir immer noch zu verstehen, ,mei, das ist aber nett'", beschreibt das beispielsweise die staatliche anerkannte Erzieherin Elisabeth Reisch.

Die Anerkennung für diesen Beruf, so Eva Bönig, SPD-Stadträtin und Leiterin des Lerchenfelder Kindergartens müsse sich aber auch finanziell darstellen. "Was nützt mir das, wenn mich alle toll finden, ich aber nichts zu beißen habe", sagt sie. Tatsache ist, dass eine Kinderpflegerin im ersten Jahr mit 1215 Euro netto nach Hause geht, und eine Erzieherin nach fünfjähriger Ausbildung mit 1372 Euro, das liege nur wenig über Hartz IV-Niveau, so Petra Lichtenfeld, Leiterin der Gleichstellungsstelle im Landratsamt. "Ich kenne junge Kolleginnen, die haben darum Zweitjobs und sitzen noch bei Real an der Kasse, das kann es doch auch nicht sein", so Eva Bönig.

Zumal sich die Anforderungen an den Beruf in den vergangenen Jahren drastisch erhöht hätten. Die Zahl der verhaltensauffälligen Kinder mit Förderungsbedarf steige ständig, ebenso die Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund. "Für viele Kinder ist es mittlerweile oft ein Segen, dass sie nicht mehr in der Familie betreut werden. Und diese Meinung habe ich vor 20 Jahren noch nicht gehabt", sagt Brigitte Niedermeier, Bürgermeisterin von Attenkirchen.

Von den Überlegungen des Freistaats, Grundschullehrer durch eine Nachqualifizierung für den Erzieherberuf zu befähigen hielt die Versammlung nichts, am wenigsten Eva Bönig. "Die Erzieherausbildung dauert fünf Jahre und ist sehr komplex, wie will man da schnell nachqualifizieren", empörte sie sich. Bei den Ingenieuren, einem Männerberuf, werde doch auch nicht schnell jemand nachqualifiziert, da werde versucht, über bessere Bezahlung neue Auszubildende für den Beruf zu gewinnen.

Die Stadt Freising baut derzeit drei neue Kinderbetreuungseinrichtungen die erste am Angerbach soll im Herbst 2012 in Betrieb gehen und dem zuständigen Referatsleiter Karl-Heinz Wimmer wird laut eigenen Aussagen "jetzt schon himmelangst, wenn ich an die Personalsuche denke." Einfach nur eine Stellenanzeige in die Zeitung zu setzen und zu warten, wer sich darauf bewerbe, damit werde die Stadt in diesem Fall nicht weit kommen. "Der Markt ist absolut abgegrast, schon jetzt können wir oft die Stellen in den bestehenden Einrichtungen nicht mehr besetzen", so Wimmer.

Das kann auch Karla Cole von der Kindertagesstätte "Airporthopser" am Flughafen bestätigen. Weil es der Arbeitgeber und das Berufsumfeld mit Wochenend- und Schichtdienst erfordert, wurde dort auch Kinderbetreuung am Samstag und Sonntag angeboten. "Aber das können wir zurzeit nicht leisten, weil wir das Personal nicht haben", erzählt sie. Wer in S-Bahnnähe wohnt, der nimmt überdies gleich eine Stelle als Erzieher in der Landeshauptstadt München an. Die umwirbt das begehrte Personal mit einem Gehalt über Tarif, Schnupperwochenenden samt Gutscheinheft für Münchens Freizeitlandschaft und günstigem Wohnraum.

Da kann Freising nicht mithalten und Karl-Heinz Wimmer ist darum dabei, im Rathaus "eine Debatte darüber anzuregen", wie die Stadt das ändern kann. "Da geht es um die Entlohnung, um günstige Wohnungen und die Wertschätzung für den Beruf." Bis zum Sommer, so hofft er, soll das Konzept für die gezielte Anwerbung von Kindergartenpersonal stehen, "und wenn es was kostet, dann muss es auch vom Kulturausschuss abgesegnet werden." Eines dürfe jedoch nicht passieren, nämlich, dass sich die Gemeinden im Landkreis Freising bei der Personalsuche gegenseitig Konkurrenz machen. "Da müssen sich alle miteinander absprechen", so Wimmer.

© SZ vom 18.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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