Erzieherinnen:Mehr als nur Basteltanten

Lesezeit: 3 min

Hortleiterin Gitta Mehnert kämpft für eine bessere Entlohnung in der Erzieherbranche. (Foto: Privat)

Kommunale Kindergärten in Freising bleiben am Montag erstmals wegen des Streikaufrufs von Verdi geschlossen. Die Erzieherinnen kämpfen nicht nur um mehr Lohn, sondern auch um eine generelle Einstufung ihres Berufs in eine höhere Tarifgruppe

Von Isabella Lössl, Freising

Streik in der Erziehungsbranche: Am Montag bleiben nach den Arbeitsniederlegungen in München auch erstmals Kindergärten in Freising geschlossen. Aber weshalb wird überhaupt gestreikt, was wollen die Erzieherinnen erreichen? "Wir kämpfen nicht einfach für eine bessere Bezahlung, sondern generell darum, dass die Berufe des Kinderpflegers, des Erziehers sowie des Sozialarbeiters in eine höhere Entgeld-Gruppe eingeordnet werden", erklärt Gitta Mehnert, die in Freising einen Hort leitet und Mitglied der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist. An drei bisherigen Terminen hat Verdi bereits verhandelt und die Forderung nach der Aufwertung erklärt, doch die Arbeitgeber haben bislang kein Angebot vorgelegt.

"Der Beruf der Erzieherin muss unbedingt attraktiver werden", betont Mehnert. "In München werden Bewerber gegenseitig unter den Kommunen abgeworben, das ist unwürdig und unprofessionell. Solche Entscheidungen können nur nach Tarif getroffen werden." Eva Bönig, Zweite Bürgermeisterin der Stadt Freising und bis zum vergangenen Jahr Leiterin des Kindergartens St. Lantpert, fordert, dass Erzieherinnen so viel Geld verdienen, dass sie auf eigenen Beinen stehen können. Auch für Andrea Hilt, Leiterin des Kindergartens "Lerchennest" in Freising, ist eine finanzielle Aufwertung ein absolutes Muss. "Es kann nicht sein, dass Kinderpflegerinnen oder Erzieherinnen neben der Arbeit im Kindergarten zusätzlich arbeiten gehen müssen. Eine eigene Wohnung in unserem Wohnraum? Unbezahlbar", moniert sie.

Diese Situation kennen auch Gitta Mehnert und Eva Bönig. "Ich habe Vollzeit-Erzieherinnen, die nebenher jobben. Und das nach fünf Jahren Ausbildung, in denen sie kaum Geld verdient haben", klagt Mehnert. Bönig pflichtet ihr bei: "In allen Berufsjahren hatte ich immer Mitarbeiterinnen, die zusätzlich gearbeitet haben. Bis 16 Uhr im Kindergarten und anschließend bis 20 Uhr im Supermarkt an der Kasse sitzen, das kann nicht sein."

Zu viele Menschen sehen das Berufsbild Kindergärtnerin mit falschen Augen. Zu oft höre man Sprüche wie "Ihr sitzt doch ohnehin nur mit den Kindern beim Spielen oder Basteln, was arbeitet ihr denn groß?" Längst gehören aber, erklärt Gitta Mehnert, diverse andere Aufgaben zum Tätigkeitsfeld. "Die Ansprüche der Eltern werden immer größer, gerade die Krippenpädagogik wird in den letzten Jahren immer wichtiger. Außerdem müssen wir Elterngespräche führen, das ist verpflichtend."

Gleiches kennt Andrea Hilt: "Wir sind nicht mehr nur die Basteltanten. Wir kümmern uns um Kinder mit erhöhtem Förderungsbedarf und dazu gehört sicher nicht nur das Spielen." Eva Bönig ergänzt: "Von einer Erzieherin erwartet man Flexibilität und Wissensvermittlung. Das muss genug gewürdigt werden." Was in diesem Zusammenhang kaum bekannt ist: Deutschland ist eines der wenigen Länder, in denen man für den Beruf der Erzieherin kein Abitur braucht. Eine abgeschlossene Mittlere Reife oder sogar ein qualifizierender Hauptschulabschluss reichen aus. Mehnert sagt auch, dass die Anerkennung der Eltern für ihre Arbeit in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist. Die Eltern wissen die Arbeit der Erzieherinnen zu schätzen und sind dankbar dafür, ihre Kinder in guten Händen zu wissen.

Auch Andrea Hilt ist froh über die Lobby, die ihnen die Eltern ihrer betreuten Kinder geben. "Jeder erwartet von uns zurecht eine gute Betreuung. Dafür sind aber Fachkräfte nötig, die eine dementsprechende Bezahlung verdient haben. Bei den Eltern kommt diese Message an, die Politiker wollen sie scheinbar nicht hören.

Das Bruttogehalt einer Erzieherin liegt laut Anton Salzbrunn, Stellvertretender Vorsitzender der GEW, 600 Euro unter dem durchschnittlichen Gehalt eines Angestellten. Fachkräfte seien laut Gitta Mehnert nicht in allzu großen Mengen vorhanden. Die Hortleiterin würde sich wünschen, mehr Auswahl unter Bewerbern zu haben, um den Ansprüchen der Eltern besser gerecht werden zu können. "Die Freisinger Fachakademie für Sozialpädagogik ist natürlich super für uns. Früher mussten Erzieherinnen aus Freising bis nach Landshut fahren, jetzt können sie ihre Ausbildung vor Ort absolvieren", sagt sie.

Kinder, darin sind sich die Pädagoginnen einig, sind das höchste Gut in unserer Gesellschaft und verdienen die beste frühkindliche Förderung, die bereits im Kindergarten und nicht erst in der Grundschule vermittelt wird. Gitta Mehnert denkt viel darüber nach, wie das Berufsbild attraktiver gemacht werden könnte. "Meiner Meinung nach wäre es eine gute Idee, den Beruf der Erzieherin mit einem Grundschullehramt-Studium zu verbinden", sagt sie. Vier Semester könne Lehramt studiert werden, dazu bekomme man praktische Einblicke in die Kindergartenarbeit. "Danach kann gesplittet werden, je nach Interesse studiert man weiter Lehramt oder wird Erzieherin. So würde ein breites Spektrum abgedeckt werden, von dem sowohl Lehrer als auch Erzieherinnen profitieren würden."

Dass zurecht gestreikt werde, diese Meinung vertreten alle drei Erzieherinnen. Es ist eine der wenigen Möglichkeiten, etwas zu bewirken und dem berechtigten Ärger Luft zu machen. Wichtig bei einem Erfolg wäre laut Eva Bönig, dass die Kommunen entlastet würden. "Sie dürften nicht auf den Zusatzkosten sitzen bleiben und müssten Hilfe von Bund und Ländern bekommen." Die Stadt Freising, so Bönig, unterstützt die Kinderpflege und ist sich ihrer Qualität bewusst. Die hohen Anforderungen im spezialisierten Tätigkeitsfeld Erzieherin müssten unbedingt mehr finanzielle und gesellschaftliche Anerkennung finden, sind sich die drei Pädagoginnen einig.

© SZ vom 18.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: