"Er war vertrauenserweckend":Mix aus Naivität und Dummheit

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Zeugen erklären in Betrugsprozess am Landgericht, warum sie dem Angeklagten hohe Geldsummen anvertraut haben

Von Alexander Kappen, Landshut/Freising

Den Richtern des Landshuter Landgerichts blieb immer wieder nur ungläubiges Staunen. Ein ums andere Mal fragte der Vorsitzende Ralph Reiter am zweiten Verhandlungstag des Betrugsprozesses gegen einen früheren Verkäufer eines Freisinger Autohauses die Geschädigten, warum sie diesem so hohe Beträge - zum größten Teil in bar - als Darlehen für Investitionsgeschäfte gegeben hatten, obwohl sie ihn in den meisten Fällen kaum kannten. "Weil ich so gutgläubig bin." "Ich war naiv." "Weil ich blöd bin." Solche Antworten gaben die Geschädigten.

Der Angeklagte hatte in den Jahren 2012 und 2013 von diversen Bekannten und früheren Kunden laut Anklage mehr als 420 000 Euro erhalten, um sie etwa in Geschäfte mit importierten Autos, Motorrädern und Rollern oder Uhren zu investieren. Er tätigte die Geschäfte aber nie. Stattdessen nahm er bei den Geschädigten immer wieder neue Darlehen auf, um teilweise ältere zurückzuzahlen. Insgesamt flossen offenbar nur 39 000 Euro zurück an die Gläubiger. Wo das restliche Geld hingekommen ist, ist weiter unklar.

Am Mittwoch sagten einige der Betrugsopfer als Zeugen aus. Darunter waren welche, die den Angeklagten privat kannten oder ihn zum Arbeitskollegen hatten. Andere dagegen hatten nur als Kunden des Autohauses, in dem er damals arbeitete, mit ihm zu tun. Was sie aber nicht davon abhielt, ihm trotzdem große Geldbeträge zu geben. Ein Mann, der insgesamt auf einem Schaden von 34 500 Euro sitzen blieb, meinte: "Er war vertrauenserweckend, er war ja Verkäufer bei einer seriösen Firma - aber ich bin leider ein gutgläubiger Mensch, ich bin nicht das erste Mal auf die Nase geflogen." Er habe Geld, das er für den Bau einer Garage zur Seite gelegt habe, dem Angeklagten geliehen. "Die habe ich nie bauen können." Drei Fahrzeugbriefe, die er als Sicherheit für das Darlehen bekommen hatte, gab er dem Angeklagten offenbar trotzdem zurück. "Da habe ich einen Fehler gemacht, das gebe ich zu."

Ein anderer Geschädigter, der den Angeklagten nur geschäftlich kannte, ging sogar zur Bank, um 50 000 Euro aufzunehmen und sie dem Angeklagten zu leihen - und das, obwohl er das Geld eigentlich für seinen bevorstehenden Hausbau brauchte. Er bekam nicht einmal eine Quittung. Ein Bekannter des Angeklagten, ein Bankangestellter, gab an, dass er "beruflich so was natürlich nie machen würde, aber das war ein Geschäft unter Spezln, ich hatte Spaß daran". Er lieh seinem Bekannten mehr als 30 000 Euro und ließ sich das quittieren. Zins und Rückzahlungstermin sollten laut Vereinbarung aber später "gesondert festgelegt" werden. Ein anderer Bekannter lieh dem Angeklagten, der früher Freundschaftsdienste für ihn geleistet hatte, insgesamt 84 000 Euro - teils mit Geld aus seiner Altersvorsorge. Unter anderem "für den Handel mit Hitler-Orden". Der Angeklagte habe auch Geschäfte "mit einem hohen Vieh aus dem Fußball" gemacht, von dem er angeblich noch Geld zu erwarten hatte. Der Zeuge meinte, dass der Angeklagte "selber gerollt worden ist".

Während des bereits abgeschlossenen Insolvenzverfahrens des Angeklagten machte keiner der Geschädigten Ansprüche wegen Betrugs geltend. Der Angeklagte bot aber einen Täter-Opfer-Ausgleich im Rahmen seiner Möglichkeiten an. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 09.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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