Engagement für die Gesellschaft:"Man bekommt immer etwas zurück"

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Johanna Sticksel pflegt und aktualisiert die Datenbank des Treffpunkts Ehrenamt, die 150 Angebote umfasst. Etwa 100 davon sind online. (Foto: Marco Einfeldt)

Johanna Sticksel, Leiterin des Treffpunkts Ehrenamt, freut sich darüber, dass viele Freisinger in Vereinen und Initiativen aktiv sind. In einigen Bereichen gibt es allerdings noch Bedarf, etwa tagsüber bei der Feuerwehr

Interview Von Gudrun Regelein, Freising

"Engagement macht stark" - so lautete das Motto einer bundesweiten Aktionswoche im September. Der Treffpunkt Ehrenamt der Stadt Freising hatte dem ein aufmunterndes "Mach mit!" hinzugefügt: Organisationen und Vereine stellten sich vor und warben um neue Aktive. Mit Erfolg, wie Johanna Sticksel, Leiterin des Treffpunkts Ehrenamt, berichtet. "Die Resonanz fand ich gut." In Freising gebe es eine hohe Bereitschaft, sich in Vereinen, Verbänden, Initiativen und Projekten ehrenamtlich zu engagieren, sagt Sticksel im Gespräch mit der SZ Freising. "Zum Glück, denn ohne Ehrenamt gebe es viele Angebote - wie die Tafel - bei uns nicht."

SZ: Frau Sticksel, das Klischee der wohlhabenden Gattin, die sich für sozial Benachteiligte engagiert: passt das?

Johanna Sticksel: Natürlich gibt es auch finanziell abgesicherte Hausfrauen, die etwas Gutes tun wollen. Das werden aber immer weniger. Denn immer mehr Frauen mit Familie sind berufstätig - gerade auch bei uns in einem Landkreis mit hohen Lebenskosten. Bei uns engagieren sich Menschen jeden Alters für andere. Wir haben beispielsweise einige Studenten, die sich bei unserem Projekt "Balu und Du", bei dem junge Erwachsene die Rolle eines Mentors für benachteiligte Grundschulkinder übernehmen, beteiligen. Obwohl das eine sehr anspruchsvolle Aufgabe ist - auch zeitlich gesehen. Viele Bürger engagieren sich aber auch trotz Berufstätigkeit. Und dann gibt es einige Neubürger, die über das Ehrenamt Kontakte knüpfen wollen.

Berufstätigkeit, Familie, ein ausgefüllter Alltag: weshalb dann auch noch ein Ehrenamt?

Das ist bei den meisten anderen Ehrenamtlichen wahrscheinlich so wie auch bei mir: Es sind einfach Themen, die einem persönlich sehr wichtig sind.

Wie funktioniert der Treffpunkt?

Zum einen kann ein Interessent über unsere Homepage eine Kurzabfrage starten: eine Zielgruppe auswählen, angeben, welche Kenntnisse und Fähigkeiten er hat - und dann spuckt die Datenbank Vorschläge für ihn aus. Ich pflege und aktualisiere diese Datenbank, die 150 Angebote umfasst, etwa 100 davon sind online. Viele Leute aber kommen zu mir in die Beratung, auch da im Gespräch besser auf ihre Wünsche und Vorstellungen eingegangen werden kann. Ich bin eine Vermittlerin, wähle passende Vorschläge aus. Wie viele der Interessenten dann aber wirklich aktiv werden, erfahre ich nicht immer.

Welche Bereiche sind besonders gefragt?

Viele wollen - was vielleicht zunächst überraschend ist - Zeit mit Senioren verbringen. Auch die Arbeit mit Kindern ist besonders gefragt. Manche wollen nur für ein paar Stunden an den Wochenenden aktiv werden, andere wollen mehr Zeit investieren.

Sie sind zufrieden mit dem ehrenamtlichen Engagement in Freising?

Ja und nein. Es engagieren sich zwar sehr viele Menschen, aber es passt dennoch nicht immer. Die Freiwillige Feuerwehr hat beispielsweise nachts keine Probleme, wenn sie zu einem Einsatz muss, dafür die notwendigen Leute zu finden. Tagsüber aber wird es eher schwierig. Da pendeln viele der Mitglieder ganz woanders hin, um zu arbeiten. Oder die Vereine: Für viele wird es immer schwieriger, für das Vorstandsamt Nachfolger zu finden. Das ist den meisten mit zu viel Verantwortung und Zeit verbunden. Engagement ja, aber nur im begrenzten Umfang - was ja bei einem Vollzeit-Job auch nicht verwunderlich ist.

Reagieren Sie auf diese Probleme?

Ja, mit unserer Fortbildungsreihe "Mit Vereinten Kräften", die sich an Vereine und Organisationen richtet. Bei diesen Treffen werden aktuelle Themen, die übrigens auch vorgeschlagen werden können, behandelt. Bei dem am 18. Oktober beispielsweise geht es um die Vorstandsnachfolge.

Aber mal ehrlich: Wird das Ehrenamt nicht überfordert? Die Betreuung der Asylsuchenden beispielsweise würde ohne freiwillige Helfer kaum funktionieren.

Wir können den Asylhelfern Fortbildungen anbieten und sie können den Raum der Begegnung für ihre Treffen nutzen. Aber ja, es gibt sicherlich Situationen und Zeiten, wo Ehrenamtliche egal in welchem Bereich überfordert werden. Und es gibt natürlich auch Helfer, die sich ausgenutzt fühlen, keinen Rückhalt verspüren. Es gibt aber auch diejenigen, die zu viel wollen, die komplett in ihrer Aufgabe aufgehen. Ich kann nur immer wieder betonen, wie wichtig es ist, auf seine Bedürfnisse, auf sich selbst zu achten.

Geben und nehmen: Was bekommen die Ehrenamtlichen zurück?

Man bekommt immer etwas zurück: Anerkennung für seine Leistung zum Beispiel. Es ist wichtig, dass Helfer merken, dass sie etwas bewegen. Vielen macht es einfach nur Freude, sich in einem Bereich, in dem sie sich auskennen, einzubringen. Andere wollen etwas ausprobieren oder etwas dazu lernen. Ich hatte einmal einen Naturwissenschaftler, der den sozialen Bereich kennenlernen wollte. Inzwischen studiert er Soziale Arbeit.

© SZ vom 02.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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