Einsatzplan für den Notfall:Angst vor einer Seuche

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Die Task-Force Infektiologie Flughafen tagt: (von links) Stefan Hörmansdorfer, Siegfried Ippisch, Bodo Königstein und Bernd Wicklein. (Foto: Marco Einfeldt)

Krankheitserreger können sich heutzutage mit Flugzeugen rasch um den ganzen Erdball verbreiten. Deshalb hat die Staatsregierung am Flughafen eine Task-Force zum Schutz vor gefährlichen Infektionen eingerichtet

Von Katharina Aurich, Flughafen

Immer mehr Menschen reisen um die ganze Welt. Im Gepäck haben sie manchmal Krankheitserreger, die eine Gefahr für die Bevölkerung sein können. Daher beschloss der bayerische Ministerrat Ende vergangenen Jahres, direkt am Flughafen eine Spezialeinheit, die Task-Force Infektiologie Flughafen einzurichten, die eng mit dem Gesundheitsamt Erding zusammenarbeitet. Diese spezielle Einrichtung zum Infektionsschutz gibt es bundesweit nur am Münchner Flughafen, ihre Mitarbeiter sind aber für ganz Bayern zuständig. Siegfried Ippisch koordiniert als organisatorischer Infektionsschutzleiter die Gruppe aus sechs Spezialisten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL).

Sofort nach dem Beschluss nahm die Task-Force ihre Arbeit auf. Ihre Mitarbeiter sind rund um die Uhr einsatzbereit. Mit einem Büro direkt am Vorfeld sind sie stets hautnah am Geschehen dran. Gibt es etwa bei einem Langstreckenflug von New York nach Moskau einen Notfall - ein Passagier bekommt hohes Fieber, hustet stark oder erbricht sich ständig - entscheidet die Besatzung, was zu tun ist. Wenn sie eine ansteckende Krankheit befürchtet, landet das Flugzeug. Noch bevor der Flieger am Gate steht, beginnt ein minutiös ausgearbeiteter Plan. "Dieses besondere Notfallmanagement gehört zur Infrastruktur und zum Risikomanagement des Airports, die Abläufe werden ständig analysiert und verbessert", schildert Ippisch. Wichtig sei vor allem die Kommunikation unter allen Beteiligten: den Mitarbeitern des Flughafens, den Airlines, der Feuerwehren, dem Rettungsdienst und der Erdinger Gesundheitsbehörde.

Ist nun ein Flugzeug mit einem vermeintlich infizierten Passagier -beispielsweise mit Verdacht auf Schweinegrippe - gelandet, wird er zunächst von den Ärzten der Medicare, einer Tochtergesellschaft der FMG, erstversorgt und in ein Krankenhaus gebracht. Dort ermitteln Spezialisten, woran der Patient leidet und es werden Blutproben beispielsweise in den Laboren des LGL in Oberschleißheim untersucht. Gleichzeitig tritt der Notfallplan in Kraft und sowohl Ärzte der Task-Force Infektiologie, gegebenenfalls auch Feuerwehr und Flughafenpersonal, treffen sich am Flugzeug. Die Passagiere werden heraus gebeten und in einen speziellen Raum gebracht, wo sie über den Sachstand aufgeklärt werden, beschreibt Ippisch den Ablauf. Sie werden außerdem befragt, ob sie mit dem Kranken näher zu tun hatten und wo sie sich im Abflugland überall aufgehalten haben. Sie geben ihre persönlichen Daten an, wo man sie erreichen kann, anschließend dürfen sie gehen.

Wenn sich der Verdacht einer ansteckenden Krankheit bestätigt, informieren die Gesundheitsämter die Passagiere und sie erhalten Infoblätter über die jeweilige Infektion und ihre Inkubationszeit. Zum Glück hatte sich der Verdacht auf Schweinegrippe nicht bestätigt, es gab aber beispielsweise TBC-Fälle. Diese Krankheit mache sich häufig erst Wochen später bemerkbar, informiert der Mediziner Bodo Königstein, Fachberater für Tuberkulose am Gesundheitsamt Erding. Angesteckt werde man nur bei einem mindestens achtstündigen "Face-to-face-Kontakt".

Tritt tatsächlich bei einem Fluggast Tage nach dem Flug eine Tuberkulose auf, die bei den Gesundheitsämtern gemeldet werden muss, beginnt ein aufwendiges Verfahren zur Ermittlung aller Passagiere des Fluges. Sie werden über den Fall informiert und diejenigen, die zwei Reihen vor oder hinter dem Patienten saßen, gebeten, ihr Blut untersuchen zu lassen.

Ein weiterer Baustein im umfangreichen Notfallplan sei die Desinfektion des Flugzeugs, in dem etwa ein Fluggast saß, bei dem ein hoch ansteckendes Noro-Virus festgestellt wurde, erläuterte Königstein. Diese Magen-Darmerkrankung sei für gesunde, erwachsene Menschen nicht gefährlich, könne aber für alte Menschen und Kinder lebensbedrohlich sein. Daher wird das Flugzeug, insbesondere der Platz, wo der Fluggast saß, desinfiziert. Dafür seien nur Mittel zugelassen, die unschädlich seien, versichert Stefan Hörmansdorfer, der am LGL den Sachbereich Bakteriologie und Mykologie leitet.

Die Passagiere hielten sich bisher immer an die Anweisungen der Mitarbeiter.

"Zum Glück mussten wir noch nie einen Betroffenen zwingen, das Flugzeug zu verlassen, sondern konnten den Fluggast immer überzeugen, mit uns zu kooperieren", so Ippisch. Bei Verständigungsproblemen steht den Task-Force-Mitarbeitern am Flughafen ein großer Pool an Dolmetschern zur Verfügung, außerdem seien hier Menschen vieler Nationen beschäftigt, sodass sich auch für ausgefallenere Sprachen immer jemand zum Übersetzen finde.

Natürlich sei man auch sensibel für kulturelle Unterschiede, muslimische Frauen würden immer von ihren Männern begleitet und von Ärztinnen betreut, versichert Ippisch. Die Kosten für all diese Notfallmaßnahmen teilen sich die Behörden, der Flughafen und die Airlines. Der Fluggast muss nichts bezahlen. Wenn irgendwo auf der Welt ein neuer Krankheitserreger festgestellt wird, dann erfährt das die Münchner Task-Force sofort, um sich auf die theoretische Möglichkeit, dass infizierte Menschen in München landen, vorzubereiten. Die Mitarbeiter sprechen sich mit den internationalen Kollegen ab, treffen sich zu Konferenzen, um sich zu informieren, welche Erfahrungen es bisher mit dem Erreger gibt und wie man ihn am besten bekämpft, beschreibt Hörmansdorfer. Die Mitglieder der Task-Force sind froh, dass sie relativ selten gebraucht werden, aber sie bereiten sich tagtäglich auf den Notfall vor und sind Ansprechpartner für andere Flughäfen, Airlines und Passagiere.

© SZ vom 29.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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