Eine etwas andere Art zum Entspannen:Motorrad fahren statt meditieren

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Wolfgang Wendl hat während seiner zweiten großen Motorradtour das Dach der Welt bereist. Die Gastfreundschaft fand er überwältigend. (Foto: Joerg Koch)

Wolfgang Wendl taucht bei seinen Touren über asiatische Hochgebirge oder die mongolische Steppe in andere Lebenswelten ein. Dadurch bekommt er seinen Kopf von dem alltäglichen Leben in Freising und der Arbeit frei

Von Gudrun Regelein, Freising

- Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan, Turkmenistan, Iran, Türkei, dann heim nach Freising: Seine zweite große Motorradtour führte den Freisinger Wolfgang Wendl in diesem Sommer über das Dach der Welt. Drei Jahre zuvor fuhr er in fünf Wochen 12 500 Kilometer von Ulan Bator nach Freising. Er wähle seine Strecken bewusst abseits der "Touristentouren", wie der Route 66, sagt der 53-Jährige. Er suche die Herausforderung. Im Gespräch mit der Freisinger SZ erzählt Wendl von seiner Motivation, von skurrilen und schönen Erlebnissen und von seinen Zukunftsplänen .

SZ: Mit dem Motorrad 12 000 Kilometer in 28 Tagen über den Pamir, das Dach der Welt. Weshalb macht man so etwas?

Wolfgang Wendl: Ich mache diese Touren, um den Kopf freizubekommen, weg von allem - dem Alltag, der Arbeit - zu kommen. Das gelingt mir beim Motorradfahren, da muss ich mich einen Monat lang zehn Stunden am Tag so konzentrieren, dass das alle anderen Gedanken aus den Kopf bringt. Diese Reisen bedeuten für mich eine ganz andere Lebenswelt, eine Auszeit vom Alltag. Andere gehen ins Kloster und meditieren oder arbeiten im Sommer für ein paar Monate auf die Alm. Ich fahre Motorrad.

Wie bereiten Sie sich auf so eine Reise vor?

Die mentale Vorbereitung ist für mich sehr wichtig. Ich lerne Routinen für Fälle, wenn etwas schief geht: Was mache ich beispielsweise bei einem Sturz, bei Problemen mit dem Motorrad, wenn es Hochwasser gibt? Ich spiele diese Szenarien immer und immer wieder durch. Das vermittelt mir ein Gefühl von Sicherheit. Durch so eine intensive Vorbereitung fährt man entspannter, das nimmt den Druck weg. Man selber muss fit sein, das Motorrad muss fit sein. Insgesamt habe ich mich für diese Reise 500 Stunden in eineinhalb Jahren vorbereitet.

Dazu gehören ein spezielles Motorrad und Ausrüstung?

Ja, das Motorrad ist entsprechend aufgerüstet. Zum Beispiel mit einem speziellen Fahrwerk für das Gelände und mit anderen Reifen. Die Luftansaugung wurde für die Wasserdurchfahrten verändert. Und die ganze Maschine wurde gegen Stürze geschützt. Beim Gepäck beanspruchen die Ersatzteile und das Werkzeug den meisten Platz. Ansonsten habe ich etwa 30 000 Kilokalorien dabei, das langt für etwa zehn Tage. Das Essen in diesen Ländern ist sehr gewöhnungsbedürftig - ehrlich gesagt, konnte ich es nicht sehen und riechen. Buttertee, vergorene Milch oder Kartoffelbrei mit Tierschmalz . . . Das Thema Kleidung ist da weniger problematisch. Außer Motorradbekleidung brauche ich unterwegs fast nichts.

Sie fahren immer alleine - weshalb nicht in Begleitung?

Dieses Mal hatte ich für etwa 1000 Kilometer eine Begleitung - bis der andere Fahrer eine Panne hatte. Normalerweise bereite ich mich aber alleine vor und fahre auch alleine. Das ist eine bewusste Entscheidung, denn sonst hat man kaum Kontakt zu den Einheimischen.

Sie haben viele verschiedene Ethnien getroffen. Gab es Erlebnisse, die Sie besonders beeindruckten?

Die Gastfreundschaft, die ich gerade im Iran erlebte, war überwältigend. Ich bin extrem freundlich aufgenommen worden. Die Länder, durch die ich gefahren bin, haben in der Weltöffentlichkeit ein sehr schlechtes Bild, was die Menschenrechte, das Gesundheitswesen oder auch den Demokratieindex betrifft - speziell Turkmenistan und Usbekistan. Die Menschen dort sind aber sehr hilfsbereit und freundlich, beispielsweise konnte ich bei meiner Reise immer in Homestays, also bei Familien, übernachten. Der Unterschied zwischen der Staatsführung und den Einheimischen ist krass.

Welche Bilder haben Sie von Ihrer Reise noch im Kopf?

Spektakuläre Landschaftsbilder. Wenn man beispielsweise auf dem Pamir-Highway im Tal auf 4000 Metern Höhe entlang fährt, umgeben von 7000 Metern hohen Bergen und Gletschern, ist das schon atemberaubend. Der höchste Pass ist 1600 Meter höher als die Zugspitze. Und der Panj- Grenzfluss bei Afghanistan hat bei knapp 4000 Höhenmetern die Breite von der Isar. Die afghanische Seite des Hindukusch ist beeindruckend schön.

Gab es denn während Ihrer Reise auch Situationen, in denen Sie sich nicht besonders wohlfühlten?

Die Wasserdurchfahrten empfand ich als sehr anstrengend und fordernd. Und einmal wurde ich eine Stunde lang vom Militär festgehalten... aber eigentlich überwiegen die positiven Erlebnisse. Nördlich von Teheran hatte ich in den Bergen beispielsweise eine sehr skurrile Begegnung mit Mitgliedern der Schweizer Grasski-Nationalmannschaft, mit denen ich einen sehr lustigen Abend verbrachte.

Wie finanzieren Sie Ihre Touren?

Durch meine Arbeit. Die letzte Reise kostete etwa 6000 Euro, die durch die Mongolei 12 000 Euro - inklusive die Motorrad-Vorbereitungen. Ich spare darauf hin.

Und wohin geht die nächste Reise?

Ich würde sehr gerne die Südseite des Kaukasus abfahren: Armenien, Aserbaidschan und Georgien. Das würde mich reizen.

© SZ vom 12.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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