Ein ziemlich klarer Fall:"Aufforderung zu einer Straftat"

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Staatsanwalt befasst sich mit Kommentar auf Rainer Forsters Facebook-Seite

Von Florian Tempel, Erding

Das Thema ist absolut aktuell: Wer im Netz Hass verbreitet, Frauen bedroht oder Kommunalpolitiker verleumdet, muss künftig mit schärferen Strafen rechnen. Das sieht der Gesetzentwurf "zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität" vor, den die Bundesregierung erst vor drei Tagen verabschiedet hat. Die geplante Gesetzesänderung ist ein Bündel verschiedener Maßnahmen. Vorgesehen sind nicht nur Strafverschärfungen bei verbaler Netzgewalt, sondern vor allem die Verpflichtung für Firmen wie Facebook oder Twitter, bestimmte strafbare Postings nicht nur zu löschen, sondern der Polizei zu melden. Auf der Facebook-Seite von Rainer Forster, Landratskandidat der AfD in Erding und früherer KAB-Diözesansekretär, steht seit mehr als einer Woche eine Aufforderung zum Mord an Ursula von der Leyen. Kreisrat Forster, der früher der ÖDP angehörte, hat am Nachmittag des 14. Februar einen Artikel des Tagesspiegels verlinkt, in dem es um den Auftritt der ehemaligen Verteidigungsministerin und aktuellen EU-Kommissionspräsidentin vor dem Bundeswehr-Untersuchungsausschuss ging. Auf einem Foto sieht man von der Leyen vor dem Ausschuss. Darunter stehen sechs Kommentare von Facebook-Nutzern, die wahrscheinlich als sogenannte Freunde zuvor über Forsters Posting informiert worden waren und es sich angeschaut haben. Im zeitlich dritten Kommentar, etwa eineinhalb Stunden nachdem Forster den Artikel des Tagesspiegel auf seiner Facebook-Seite gebracht hatte, steht konkret, dass und wie von der Leyen getötet werden sollte. Rainer Forster war am Freitag für die SZ für eine Stellungnahme zu dem Hasskommentar auf seiner Facebook-Seite nicht zu erreichen.

Für Achim Kinski, Sprecher der Staatsanwaltschaft Landshut und dort auch für das zum 1. Januar neu geschaffene Sonderdezernat Hasskriminalität im Internet zuständig, ist das ein ziemlich klarer Fall: "Das ist eine öffentliche Aufforderung zu einer Straftat." Es sei dabei nicht notwendig, dass derjenige, der das gepostet habe, "auch mit der Vollendung der Tat rechnet", sagt Kinski. Unter rechtlichen Gesichtspunkten reiche es für eine Strafbarkeit aus, dass der Schreiber es "billigend in Kauf nimmt", wenn seine Tat umgesetzt würde. Und das sei keineswegs abwegig, "in dem gesellschaftlichen Klima, wie wir es jetzt haben". Vor 20 Jahren "hätten wir vielleicht gesagt, ja mei, da hat einer seinem Ärger Luft gemacht". Mittlerweile müsse man solche Äußerungen sehr viel ernster nehmen, sagt Kinski: "Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung könne wir uns als Staatsanwaltschaft nicht auf den Standpunkt stellen, das wird schon nicht so ernst gemeint." Nach der geplanten Gesetzesänderung wäre es wohl ein Fall von Hasskriminalität, bei dem Facebook zukünftig zu einer Meldung verpflichtet wäre, sagt Kinski. Die Frage, ob sich auch Forster strafbar gemacht habe, weil der nicht auf den Mordaufruf auf seiner Facebook-Seite reagierte, sei "rechtlich nicht so einfach". Ganz grundsätzlich komme jedoch "eine Beihilfe in Betracht".

Wer auf ähnliche Fälle von Hassdelikten im Internet stoße, sollte nicht zögern, diese der Polizei oder Staatsanwaltschaft zu melden, sagt Kinski. Auf dem Internetauftritt der bayerischen Polizei findet sich aktuell ein Infoblatt des Landeskriminalamts mit "Tipps gegen Hass im Netz". Darin heißt es: "Hassreden können nicht toleriert oder ignoriert werden. Eine Gegenreaktion ist ein wichtiges Zeichen für Täter und andere Nutzerinnen und Nutzer, dass solches Verhalten nicht hinnehmbar ist." Für die Beweissicherung sei es wichtig, die Internetadresse des Inhalts und vom Profil des Verfassers zu sichern, sowie einen Screenshot des Hass-Postings zu machen. Zudem sollte man sich Datum und Uhrzeit notieren.

Forster ist auf Facebook so gut wie täglich aktiv. Oft postet er mehrmals am Tag eigene und von anderen verfasste Beiträge, die sehr häufig von anderen Facebook-Nutzern geteilt, bewertet und kommentiert werden. Forsters Facebook-Seite ist eine krude Mischung. Am gleichen Tag, als sein Beitrag mit der Aufforderung, von der Leyen sollte getötet werden, kommentiert wurde, aktualisierte er etwa sein Titelbild. Neben einem Porträt des Philosophen Voltaire steht dessen Zitat: "Man kann die Menschen zur Vernunft bringen, indem man sie dazu verleitet, dass sie selbst denken." Drei Tage später persifliert und verdreht er ein Zitat des von den Nationalsozialisten verfolgten Theologen Martin Niemöller. Im unmittelbar nächsten Posting verteidigt Forster den Auftritt von Björn Höcke bei Pegida in Dresden.

© SZ vom 22.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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