Frühlingsspaziergang:Zwischen Bärlauch und Buschwindröschen

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Inge Steidl und Carolin Plötz vom Bund Naturschutz erklären bei einem Spaziergang die Vegetation am Südhang des Weihenstephaner Bergs. Viele der unscheinbaren Pflanzen hier sind essbar.

Von Rebecca Seeberg, Freising

Inge Steidl schreitet mit weit ausladenden Schritten voran, pflückt mit gezieltem Griff hier und da ein Blättchen vom Boden. Sie wirkt in ihrer Jeans, der Lederjacke und dem blauen Haarband wie eine von Wind und Wetter gezeichnete Abenteurerin. Zusammen mit ihrer Kollegin, der Biologin Carolin Plötz, wandert die Landschaftsplanerin am Sonntag mit Interessierten während ihres alljährlichen Frühjahresspaziergangs den Weihenstephaner Südhang entlang.

Beide gehören zur Vorstandschaft der Kreisgruppe Freising des Bund Naturschutz und kennen den Berg wie ihre Westentaschen. Im Zickzack führen sie ihre Gruppe über die grünen Hänge, vorbei an gebückten Bärlauchpflückern, hoch zum Korbiniansbrünnlein und über den von Frühlingsblühern überquellenden Oberdieck-Garten wieder zurück zum Fuße des Berges.

Steidl schreitet energisch voran, Plötz schlendert etwas gemütlicher hinterher, beantwortet hier die Fragen einzelner Teilnehmer und ergänzt da die Ausführungen der Landschaftspflegerin. "Seit über 20 Jahren machen wir das schon", erzählt Steidl. Denn der Südhang gehört zu einem der landschaftlich interessantesten Gebiete in Freising. "Hier bricht das sanft geschwungene Tertiärhügelland zur Münchner Schotterebene Richtung Süden ab und bildet so eine markante Grenze zwischen zwei vollkommen unterschiedlichen Naturräumen", erklärt die fachkundige Landschaftsplanerin.

Quellen, wie das Korbiniansbrünnlein sind charakteristisch für das Hügelland. Der sogenannte Alium, lateinisch für Lauchgewächs, Orsinium, lateinisch für Bär, grünt überall zwischen den Wegen und lässt nicht nur seinem Namensvetter nach dem grauen Winter das Wasser im Munde zusammenlaufen.

Neben dem beliebten Gewächs bietet der Südhang eine weite Vielfalt an gelb, weiß und violett blühenden Pflänzchen, sowie auf den ersten Blick unscheinbaren, aber oft essbaren Pflanzen. Den im Salat köstlich schmeckenden Giersch zum Beispiel, die Brennnessel, die flauschige Schwarznessel oder die im Geruch und Geschmack ihrem Namensverwandten ähnliche Knoblauchsrauke. Entlang des ruhigen Flusslaufs der Moosach wächst wilder Schnittlauch, die Märzveilchen blühen noch.

Alle gehen plötzlich mit offeneren Augen durch die Natur und hören staunend den Ausführungen der zwei Frauen zu. Ein besonderes Merkmal der Weihenstephaner Vegetation ist die große Anzahl an sogenannten Geophyten. "Diese Erdpflanzen schließen ihren Lebenszyklus ab, bevor die Bäume austreiben und ihnen alles Sonnenlicht nehmen würden", erklärt Inge Steidl. Deshalb ist der Frühling so interessant für Pflanzenkenner.

"Du willst immer alles essen"

Das herrlich blühende Buschwindröschen gehört zum Beispiel zu dieser Art. Vorbei schreitet die Gruppe an einem Rasen aus Ehrenpreis, dessen klitzekleine hellviolette, bis blaue Blüten aus der grünen Pflanzenwelt heraus blinken. "Das kann man aber essen, oder?", fragt eine ältere Dame in die Runde. "Du willst immer alles essen", ist die liebevolle Antwort ihrer Freundin und kichernd gehen die beiden weiter, vorbei an dem endlosen Teppich, der nach und nach durch Bärlauch ersetzt wird.

Carolin Plötz weist unterdessen auf eine dazwischen versteckte Pflanze hin, den Aronstab. "Die Bärlauchpflücker sollten acht geben, dass nicht aus Versehen eines von dessen giftigen Blättern in ihren Korb wandert", erklärt die Biologin. Dieser galt früher als Hexenpflanze, wohl auch wegen seines unangenehmen Geruchs, den er ausströmt, um Kotkäfer und anderes Getier zur Bestäubung anzulocken.

Nach und nach wird den Wanderern die botanische Vielfalt der heimischen Pflanzenwelt bewusst. "Über 100 Pflanzenarten wachsen hier am Südhang und bieten einen idealen Lebensraum, unter anderem für Vögel und Totholzbewohner ", erklärt Inge Steidl. Durch menschliches Eingreifen, wie durch die Verkehrssicherungspflicht, aber auch das vor einigen Jahren akute Ulmensterben, eine durch den Ulmensplintkäfer verbreitete Krankheit, sei der Baumbestand immer weniger geworden, beklagt sie.

Im Vergleich zu früher gehe man heute in einigen Bereichen aber bedachter mit der Pflanzenwelt um, erklären die Naturwissenschaftlerinnen. Vorsichtiger sei man zum Beispiel bei der Einführung von nicht einheimischen Pflanzen geworden, zu denen das an Flussufern wuchernde Springkraut gehört. Aufmerksame Beobachter finden einen dieser Neophyten, den Riesen-Bärenklau, um das alte Bienenhaus am Weihenstephaner Berges herum, wo ihn vor Jahrzehnten Imker angepflanzt haben.

Denn das zu den Doldenblütlern gehörende Gewächs zieht alle möglichen Insekten an, unter anderem auch Bienen, berichtet Plötz. In der Nachmittagssonne macht sich die Gruppe auf den Rückweg. Wie zum Abschied glühen dottergelbe Wildtulpen aus dem dunklen Gestrüpp.

© SZ vom 14.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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