Ein Buch mit Allgemeingültigkeit:Alles Loser

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Der Regisseur und Bühnenbildner Thomas Goerge ist 2021 bereits mit dem Kulturpreis des Landkreises geehrt worden. (Foto: Sebastian Widmann)

Der Freisinger Bühnenbildner und Regisseur Thomas Goerge präsentiert Carl Amerys Roman "Das Geheimnis der Krypta" als szenische Lesung im Furtnerbräu

interview Von Dennis Wenzl, Freising

Was wäre, wenn unsere Welt von Geheimgesellschaften regiert würde, die planen, den Großteil der Weltbevölkerung zu vernichten? Was, wenn diese Verschwörung ihren Ausgangspunkt hier in Freising, im Dom hätte? Mit seinem Roman "Das Geheimnis der Krypta" skizzierte Carl Amery 1990 eine düstere Zukunft. Diese Zukunft wird jetzt Realität. Aber nur auf der Bühne. Thomas Goerge, gebürtiger Freisinger, Theaterregisseur und Bühnenbildner, inszeniert das letzte Werk des 2005 verstorbenen Amery, selbst Dom-Gymnasiast, im Furtnerbräu. Dabei wird die Handlung als szenische Lesung präsentiert. Nach seinem Studium an der Universität für angewandte Kunst in Wien konzipierte Goerge Bühnenausstattungen für große Regisseure. Er arbeitete in Bayreuth mit Christoph Schlingensief zusammen, führt Regie und lehrt an Hochschulen für Theater, Musik und Kunst.

SZ: Herr Goerge, wie ist es in Ihrer Heimat Freising zu inszenieren?

Thomas Goerge: Natürlich ist es ganz anders, als an einem professionellen Theater zu spielen. Weil hier die Strukturen ganz anders sind und alle Mittel selbst organisiert werden müssen. Aber es macht Spaß, und alle Darsteller sind hoch motiviert. An der Vorbereitung ändert sich sonst nichts außer, dass wir nicht täglich proben.

Worin liegt die Aktualität von Carl Amerys Roman und Ihrer Aufführung?

Amerys Roman befasst sich mit einem Zukunftsschock. Er beschreibt die globale Erwärmung, Überbevölkerung, Umweltzerstörung und es gibt Kriege. Der Protagonist in Amerys Roman kommt nach Freising und beschließt, eine neue Wissenschaft, die des Verlierens zu begründen, auf der Basis, dass Geschichtsschreibung die Verlierer immer ausblendet, man aber nur durch Versagen dazulernen kann. Da die Welt auch im Scheitern begriffen ist, tritt eine Geheimgesellschaft an ihn heran und beauftragt ihn eine Lösung für die Probleme der Welt zu finden.

Wie sieht der Plan aus?

Der Wissenschaftler entwickelt die Theorie "Freising 2", wonach 95 Prozent der Erdbevölkerung mithilfe eines Virus vernichtet werden sollen, um den überlebenden fünf Prozent eine Zukunft auf der Erde möglich zu machen. Obwohl nur als theoretischer Entwurf gedacht, setzt die Geheimgesellschaft den Plan in die Tat um und produziert in den Gewölben des Doms das Virus. Die Apokalypse geht also vom Freisinger Domberg aus. Amery hat damit sehr schwarzen Humor bewiesen, aber gleichzeitig einen Roman mit Allgemeingültigkeit geschrieben.

Wie versetzt man sich in einen Autor und sein Werk hinein?

Natürlich muss man das Buch sehr oft lesen und viel Hintergrundinformationen einholen, da das ganze Werk viele Verweise und Subtexte bietet, die man nachrecherchieren muss. Vor allem Thomas Manns "Doktor Faustus" spielt dabei eine wichtige Rolle. Man muss sich aber auch der Aktualität bewusst werden, wie sie heute mit Flüchtlingswellen oder ähnlichen Ängsten gegeben ist. Gleichzeitig ist es wahnsinnig filmisch, wie beispielsweise mit dem Duell im Domhof. Ein Showdown am Schluss, der an einen Western oder James Bond erinnert. Es hat auch immer etwas Faszinierendes, die Verdrängung des düsteren Unbewussten vor Augen geführt zu bekommen. Deshalb gehen die Menschen auch ins Kino oder eben ins Theater.

Welche Botschaft ist Ihnen bei dem Roman "Das Geheimnis der Krypta" am wichtigsten?

In Amerys Roman geht es ums Verlieren. Jeder im Buch ist ein Loser, worauf sich dann letztlich auch die Theorie der Hauptfigur stützt. Sogar die Theorie selbst wird zu Niederlage, weil sie in die Praxis umgesetzt wird und den Protagonisten zum Massenmörder wider Willen macht. Ein Mantel aus Apokalypse und Mord legt sich um den wahren Kern, der eigentlich das Verlieren selbst ist. Das Faszinierende dabei ist, dass einen im Nachhinein Scheitern immer weitergebracht hat.

Welches Projekt ist als nächstes geplant?

Ich mache in München im Prinzregententheater eine Videoinstallation zu "Carmen" und dann kommt noch ein großes Projekt in Trier, über das ich aber noch nicht sprechen darf.

Die Aufführungen von "Das Geheimnis in der Krypta" sind am Freitag, 16. Oktober, und Sonntag, 18. Oktober, 20 Uhr. Michael A. Grimm übernimmt die Hauptlesung. Der Kartenvorverkauf findet im Musikhaus Pfefferkorn, beim Furtnerbräu und im Landratsamt statt. Am Samstag, 17. Oktober, wird Amerys Buch in voller Länge von 10 bis etwa 24 Uhr gelesen. Am Freitag wird um 17 Uhr eine Ausstellung über Carl Amery im Landratsamt eröffnet.

© SZ vom 15.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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