Von Namibia nach Freising:Mit Bildern Brücken bauen

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In seinen farbenfrohen Arbeiten fängt Tangeni Sem Haikali das Leben in seiner früheren Heimat Namibia ein, doch auch das Miteinander der Menschen ist für den Freisinger ein wichtiges Thema.

Von Angie Fuchs, Freising

In seinen farbenfrohen Bildern bringt Tangeni Sem Haikali das alltägliche Leben in seiner Heimat Namibia zum Ausdruck. Doch dem Freisinger Künstler liegt auch das Miteinander in Freising, seiner "zweiten Heimat", am Herzen. Was wäre, wenn Tangeni Sem Haikali nie hierher gekommen wäre? Sehr gut möglich, dass er nie die Muße gefunden hätte zu malen. Doch 2009 folgte er seiner Freundin Anna nach Deutschland und absolvierte einen Deutschkurs in Landshut. "Da hatte ich viel freie Zeit. Also fing ich an, erst kleine, dann immer größere Bilder zu malen," erinnert sich der 34-Jährige.

Da sein Forststudium in Deutschland nicht anerkannt wird, begann er eine Ausbildung zum Landschaftsgärtner, sobald es seine Sprachkenntnisse zuließen. Doch die Liebe zur Malerei blieb: Nach Feierabend setzt sich Tangeni Sem Haikali nicht auf die Couch, um sich zu erholen, sondern vor seine Staffelei. Die Farben der Natur begeistern ihn. Bunt bedeute Vielfalt, sagt er. Wenn der Freisinger nicht im interkulturellen Garten am Schafhof seine Pflanzen hegt und pflegt, lässt er sich von ihrer Farbenpracht inspirieren.

Außerdem thematisiert er Sprichwörter in seinen Werken: Das Bild "Oxungi - Rat der Ältesten" etwa geht auf den Spruch "Inda kOxungi" zurück. Übersetzt heißt das namibische Sprichwort soviel wie "Geh, hör den Alten zu", man möge also den Rat der Erfahreneren annehmen. Einen wichtigen Platz nimmt in seinen Werken auch seine Heimat ein. Haikali möchte zeigen, wie bunt Namibia ist: Hier leben zahlreiche Volksstämme, etwa die Herero oder die Owambo. Zu letzteren gehört auch Haikalis Familie. Doch auch Deutsche und Finnen gehören historisch zu dem südwestafrikanischen Land. "Wenn man alle in einen Topf wirft, kommt etwas Gutes raus" schwärmt der Künstler.

Oft lebten die Volksgruppen aber eher nebeneinander als miteinander. Brücken bauen wäre also angesagt. Und so hat sich Haikali für seine aktuelle Ausstellung in der Bibliothek St. Lantpert ein passendes Wortspiel einfallen lassen: "Bridging - Brücken bauen". Das möchte er nicht auf Namibia beschränken. Sein farbenprächtiges Bild "Bridging" stellt Menschen dar, die sich an den Händen halten. Bei genauerem Hinschauen sieht man: Diese Menschen-Brücke führt durch einen Kopf. "Brückenbauen fängt im Kopf an", sagt Haikali. Kann man auch Brücken zu Menschen bauen, die eine ganz andere Meinung haben? Ja, findet der Künstler. Auch wenn diese an ihrem Standpunkt festhalten: Allein durch dieses Gespräch verändere sich das Verhältnis zum Gegenüber.

Haikalis erste Ausstellung fand 2015 in der Hochschulgemeinde statt. "Ich war nervös, da ich mir nicht sicher war, ob die Leute sich für meine Bilder interessieren", erinnert er sich. "Aber ich habe einen guten Spruch in Deutschland kennengelernt: Augen zu und durch!" Seine Bilder kamen sehr gut an. Gerne redet er mit den Besuchern - interessiert sich, was jemand anders in seinem Bild erkennt, erzählt aber auch gern mehr dazu.

Nach Deutschland kam Tangeni Sem Haikali zunächst, um seine jetzige Frau Anna zu besuchen. Sie hatten sich 2007 in einer Baumschule im Norden Namibias kennengelernt: Er arbeitete dort, um nach seinem Forststudium Praxiskenntnisse sammeln, sie war gerade für ein Praktikum im Rahmen ihres Studiums - ebenfalls Forstwirtschaft - in Namibia. Sie verstanden sich auf Anhieb und arbeiteten oft zusammen. Doch viel gemeinsame Zeit blieb zunächst nicht: Anna musste nach gut zwei Wochen zurück nach Deutschland und es blieb nur das Handy, um Kontakt zu halten. Aber für ihre Diplomarbeit kehrte Anna Haikali fünf Monate später zurück. "Trotz des geschichtlichen Hintergrunds wurde ich in seiner Familie sehr offen aufgenommen. Das ist nicht selbstverständlich", erzählt sie mit Blick auf die deutsche Kolonialgeschichte. 2008 kam Tangeni Sem Haikali zum ersten Mal nach Freising. Es war Winter und man könnte meinen, dass er ihn das abgeschreckt haben müsste. Aber nein: Während eines Auslandssemesters 2006 in Finnland habe er schon deutlich mehr Schnee gesehen, sagt er lächelnd. Haikali fühlt sich mittlerweile gut integriert. Die Sprache sei der Schlüssel, um Grenzen aufzulösen: Zum einen heißt das natürlich, die Sprache zu beherrschen, zum anderen aber auch, sie tatsächlich einzusetzen. "Ich baue jeden Tag Brücken", sagt er und redet viel mit Menschen - denn ohne Kommunikation kein "Bridging".

Die Ausstellung "Bridging - Brücken bauen" ist noch bis 29. Januar in der Bibliothek St. Lantpert (Kepserstraße 2) zu sehen. Öffnungszeiten: Montag und Mittwoch von 16 bis 18 Uhr, Dienstag von 9.30 bis 11.30 Uhr und 16 bis 18 Uhr, Donnerstag von 16 bis 20 Uhr, Freitag von 9.30 bis 13 Uhr und Sonntag von 9.30 bis 12 Uhr.

© SZ vom 23.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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