Dritte Startbahn am Flughafen:Hoffen auf München

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Die Attachinger Bürger wollen ihren Heimat behalten. Würde die Startbahn gebaut, müsste der halbe Ort abgesiedelt werden. (Foto: Marco Einfeldt)

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Beschwerden von Anwohnern und Naturschützern gegen eine dritte Startbahn am Flughafen zurückgewiesen. Vertreter aus Politik und Widerstandsbewegung sind enttäuscht, aber gefasst

Von Birgit Goormann-Prugger und Christoph Dorner, Freising

Dass das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Mittwoch die Beschwerden von Anwohnern und Bund Naturschutz gegen den Bau einer dritten Startbahn am Münchner Flughafen zurückweisen würde, war im Landkreis Freising erwartet worden. Das Urteil und seine Konsequenzen für die politische Entscheidungsfindung sind seitens der Politik und der lokalen Widerstandsbewegung jedoch unterschiedlich bewertet worden.

Hartmut Binner von Aufgemuckt sagt, er sei "maßlos enttäuscht", denn er habe die Hoffnung nie aufgegeben "und ich habe mich für den Widerstand aufgearbeitet". Nun setzt Binner seine Hoffnung auf die politische Blockadehaltung der Stadt München, die sich als Gesellschafter an den Bürgerentscheid aus dem Jahr 2012 gebunden fühlt: "Wir sind in einer guten Ausgangslage, wir haben ja das Ergebnis des Bürgerentscheids. Die Gegenseite steht mit dem Rücken zur Wand, weil sie nicht wissen, wie sie den umgehen können." Eigentlich habe Aufgemuckt am Mittwochabend eine spontane Demonstration veranstalten wollen, sagt Binner. Diese habe man jedoch abgesagt, weil viele Mitglieder durch Arbeit verhindert gewesen wären. Stattdessen wolle man sich in der kommenden Woche treffen, um bei einer Versammlung das weitere Vorgehen zu besprechen.

Enttäuscht ist auch Christine Margraf vom Bund Naturschutz: "Die rechtlichen Hürden für die Kläger waren sehr hoch." Dennoch könne sie das Urteil nicht nachvollziehen. Man habe erwartet, dass sich das Gericht intensiver mit dem Bedarf einer dritten Startbahn befassen würde. Dennoch sei nicht aller Tage Abend. "Die Privatkläger können in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde einlegen. Wir als Bund Naturschutz werden Beschwerde bei der EU-Kommission einlegen." Die Bedarfsplanung für die dritte Startbahn sei " grottenschlecht", niemand brauche die Startbahn - außer vielleicht die Lufthansa. "Ich kann verstehen, dass die Betroffenen in der Region wütend sind", sagt Margraf.

Manfred Pointner, Vorsitzender der Schutzgemeinschaft, gibt sich gefasster: "Wir haben mit diesem Urteil leider rechnen müssen." Man überlege nun, die Privatkläger bei einer Verfassungsbeschwerde zu unterstützen. Hierzu müssten aber zunächst Chancen und Kosten abgewogen werden. Pointner rechnet damit, dass die Staatsregierung nun den Druck auf die Stadt München erhöhen wird. Deren Oberbürgermeister Dieter Reiter habe ihm aber erst kürzlich persönlich versichert, dass sich die Stadt in der Wahlperiode bis 2020 an den Bürgerentscheid gebunden fühle.

Für Freisings Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher (Freisinger Mitte) ist die Entscheidung "nicht nachvollziehbar". Er betont, dass man zwar zunächst die Urteilsbegründung abwarten müsse. Aber rein juristisch sei die Stadt damit am Ende ihrer Möglichkeiten angekommen. Enttäuscht sei er darüber, dass die Stadt und die Betroffenen mit ihren Themen bei den Verantwortlichen überhaupt kein Gehör finden würden. "Für die Anwohner geht es um deren Existenz. Und für die Stadt hätte eine dritte Startbahn katastrophale Auswirkungen", sagt er. "Wir können uns kaum noch entwickeln. Wo sollen denn die Leute wohnen, die dann zu uns kommen? Wir machen eine Wohnbaukonferenz nach der anderen und dann klotzen wir uns wieder so einen Jobmotor vor die Tür."

Landrat Josef Hauner (CSU) äußerte sich abwartend: "Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts besagt lediglich, dass formal keine juristischen Fehler in den gerichtlichen Auseinandersetzungen gemacht wurden." Hauner erinnert daran, dass sich der Kreistag einstimmig gegen den Bau ausgesprochen habe und die aktuelle Entwicklung der Fluggastzahlen eine dritte Startbahn nicht notwendig machten. "Sie würde aber die Bevölkerung im Landkreis in unzumutbarer Weise belasten." Im von Ministerpräsident Seehofer angekündigten Dialogprozess wolle er sich nun gegen das Projekt in Stellung bringen.

Der Freisinger CSU-Bundestagsabgeordnete Eri ch Irlstorfer bezeichnet das Urteil als "überfällig". Damit sei der Ausbaubedarf bestätigt und das Lärmschutzkonzept für rechtmäßig erklärt worden. Nun müssten die drei Gesellschafter des Flughafens auf politischem Weg eine Entscheidung herbeiführen, "und zwar nicht im Gericht oder auf der Straße, sondern am Verhandlungstisch". Irlstorfer hofft, dass die Bevölkerung nach zehnjährigem Schwebezustand des Verfahrens bald Gewissheit habe. Er bleibe aber bei seiner ablehnenden Haltung, wenngleich Wettbewerbsnachteile nicht von der Hand zu weisen seien. "Die Zukunftsfähigkeit einer Region beinhaltet mehr als genügend Arbeitsplätze. Die Bereiche Wohnen und Leben, das richtige Verhältnis von Ökonomie und Ökologie."

Auch der CSU-Landtagsabgeordnete Florian Herrmann fordert eine schnelle Entscheidung auf politischem Weg, nachdem nun das Ende der rechtlichen Fahnenstange erreicht sei. "Das Damoklesschwert hängt schon zu lange über der Region." Das Leipziger Urteil sei zwar eine Baugenehmigung, jedoch kein Urteil über die Zweckmäßigkeit und die Wirtschaftlichkeit einer dritten Startbahn. "Hier muss man sich fragen, ob die derzeitigen Flugbewegungen derart heftige Eingriffe in die Natur rechtfertigen."

Der SPD-Kreisvorsitzende Peter Warlimont sagt, er könne die Enttäuschung der Privatkläger nachvollziehen. Ein Gang vor das Bundesverfassungsgericht sei wohl nicht erfolgsversprechend. Faustpfand gegen den Bau der dritten Startbahn bleibe der ablehnende Bürgerentscheid aus München. Warlimont rechnet damit, dass die SPD hier bei ihrer klaren Haltung bleibt: "Ich sehe in München weder eine Bürgerinitiative noch eine politische Partei, die einen zweiten, positiven Bürgerentscheid herbeiführen könnte. Sie wissen, dass man sich da nur eine blutige Nase holen würde." Dennoch müsse der Widerstand in der Region wachsam bleiben.

Freisings Stellvertretende Landrätin Birgit Mooser-Niefanger (Grüne) findet es "erschreckend", wie sich Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zum Sprecher eines Unternehmens mache. Herrmann hatte das Urteil als "große Chance für die weitere erfolgreiche Entwicklung Bayerns" bezeichnet. "Ich finde, die Politiker, hätten jetzt die große Chance, sich einzugestehen, dass sie sich verrannt haben. Sie könnten jetzt dem Volk folgen, dass diese dritte Startbahn einfach nicht will", sagt Mooser-Niefanger.

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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