Diskussion mit Freisinger Schülern:Nicht mehr schweigen

Lesezeit: 1 min

Auschwitz-Überlebende wie Esther Bejarano empfinden den Aufschwung rechter Populisten als "Katastrophe"

Mittelstufenschüler von allen Freisinger Schulen hatten am Montag die Möglichkeit, Esther Bejarano im großen Sitzungssaal des Rathauses zu erleben. Die 94-Jährige nahm sich bei ihrer Lesung und einer Fragerunde etwa zwei Stunden für die Jugendlichen Zeit. Auch ins Goldene Buch der Stadt trug sie sich bei ihrem Besuch ein, von Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher gab es den heiligen Korbinian mit seinem Bären als Mitbringsel.

Gleich die erste Frage einer Schülerin bezieht sich jedoch auf die Gegenwart und nicht auf die Erlebnisse, die sie in ihrem Buch geschildert hat: Was sie über den Aufschwung rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien in Deutschland denke? "Es ist für uns, die Auschwitz überlebt haben, eine Katastrophe. Dieser unheimliche Rechtsruck heutzutage erinnert an die Vergangenheit", antwortet Bejarano.

Das Akkordeon hat ihr in Auschwitz das Leben gerettet: Mit diesem Instrument wurde sie in das Mädchenorchester aufgenommen, bekam bei Kriegsende von einem US-amerikanischen Soldaten in Mecklenburg-Vorpommern ein Akkordeon geschenkt. Was aus diesem Geschenk geworden sei, möchte ein Schüler wissen. Das habe ihr wenig später ein russischer Soldat abgenommen. Doch Bejarano fügt an: "Natürlich habe ich ein Akkordeon zuhause. Manchmal spiele ich noch ein bisschen."

Die Jugendlichen erkundigen sich nach ihren Geschwistern und Freundinnen, die den Holocaust überlebt haben, und wann sie diese wiedergesehen habe. Bejarano hatte zuvor Passagen vorgelesen über die älteren Geschwister, die zum Teil rechtzeitig ins Ausland fliehen konnten, über ihre Eltern, die in Litauen ermordet wurden, und über die Freundinnen, mit denen sie in Auschwitz war.

Wie sie es geschafft habe, nach Deutschland zurückzukehren - diese Frage beschäftigt viele im Raum. Bejaranos Antwort zeigt, dass es für sie immer weiter geht: "Ich kann in Deutschland leben. Ich muss nur die richtigen Freunde finden." Damals wie heute sei sie mit der Politik in Israel nicht einverstanden. 1960 zog sie nach 15 Jahren in Israel mit ihrer jungen Familie nach Hamburg.

Mal ist es ein inhaltliches Nachhaken zum Buch, mal sind es existenzielle Fragen: Nein, verarbeiten könne man Auschwitz niemals. Aber man könne etwas dagegen tun: "Heute darf nicht mehr geschwiegen werden. Man muss wissen, was damals geschah. Frieden gibt es nur, wenn man miteinander spricht."

© SZ vom 19.11.2019 / kaho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: