"Die Kühe haben es so gut wie noch  nie":Es tut sich was beim Tierwohl

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Korbinian Wildgruber, Georg Radlmaier, Ralf Huber, Gerhard Stock, Maria Wildgruber und Elisabeth Mayerhofer (v.l.) beim Stallgespräch. (Foto: Marco Einfeldt)

Der Bauerverband in Freising wehrt sich gegen die negative Darstellung moderner Landwirtschaft am Rande der "Grünen Woche" in Berlin und lädt in einen Kuhstall im Landkreis ein. In Bayern, so die Botschaft, ist alles besser

Von Gudrun Regelein, Freising

An diesem Freitag beginnt in Berlin die Internationale Grüne Woche. Es ist kein Zufall, dass gerade einmal einen Tag nach der Eröffnung der weltgrößten Messe für Landwirtschaft, Ernährung und Gartenbau mit mehr als 1600 Ausstellern ein Protestzug mit vielen Tausend Teilnehmern stattfindet. "Wir haben es satt", so heißt die jährlich am Rande der grünen Woche organisierte größte Demonstration in Europa, die sich gegen die herrschende Agrarpolitik wendet. Die Veranstalter, darunter konventionelle und Bio-Bauern, Lebensmittelhandwerker, Tierschützer und Umweltaktivisten, gehen für eine Agrar- und Ernährungswende auf die Straße. Ihre Ziele sind gesundes Essen, artgerechte Tierhaltung, globale Bauernrechte und ein gerechter Welthandel.

Auch Toni Wollschläger, Freisinger Grünen-Kreisrat, war schon einige Male bei der Demo in Berlin dabei. Etwa 50 Teilnehmer aus Freising reisen jedes Jahr mit einem Bus dorthin, erzählt er. Wollschläger, der mit seiner Frau zwei Naturland-Betriebe im Landkreis bewirtschaftet, sagt, dass das grundlegende Problem nicht der einzelne Landwirt, sondern die Politik sei. Der Landwirt müsse so wirtschaften, dass er überleben könne. "Die Rahmenbedingungen passen nicht. Die führen dazu, dass die Produktion in einen zunehmend industrialisierten Prozess gezwängt wird und dabei soziale und ökologische Aspekte außen vor bleiben", kritisiert Wollschläger.

"Wir wehren uns gegen diese negativ gezeichnete Darstellung der kommerziellen Landwirtschaft", sagt dagegen Gerhard Stock, Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbandes. Die von den Demonstranten kritisierte Massentierhaltung mit riesigen Betrieben gebe es nur in Norddeutschland, nicht aber in Bayern und im Landkreis. "Es geht uns darum, eine sachliche und praxisbezogene Diskussion zu führen", betonte Stock. Deshalb lud der Verband gestern zu einem Stallgespräch auf den Denkhof der Familie Wildgruber in Haxthausen ein. 175 000 Einwohner zähle der Landkreis, jeder verbrauche im Jahr etwa 400 Kilogramm Milch und Milchprodukte, berichtete Stock. Das seien im Jahr dann insgesamt 70 000 Tonnen Milch. Möglichst viel davon, so sagte Stock, solle vor Ort erzeugt werden. Dazu sei eine moderne Produktion notwendig, "das geht nicht mit einer Streichelzoo-Haltung". Im Landkreis gibt es laut Stock derzeit noch etwa 250 Betriebe mit insgesamt etwa 7000 Kühen - das seien pro Betrieb etwa 30 Kühe. "Ein modern wirtschaftender Betrieb bedeutet nicht automatisch eine Massentierhaltung", betonte er. Im Gegenteil: So gut wie derzeit hätten es die Kühe noch nie zuvor gehabt.

Die Tiere auf dem Denkhof der Familie Wildgruber zumindest fühlen sich augenscheinlich wohl. Eine Kuh steht gerade unter einem rollenden Bürstenautomaten und genießt die Massage sichtlich. Insgesamt 57 Tiere stehen in dem geräumigen Tretmist-Stall, der natürlichsten Form von Kuhhaltung, wie Korbinian Wildgruber sagt. Neun Quadratmeter groß sind ihre Boxen, viereinhalb müssten sie laut Vorgaben nur sein. Sie können sich hinlegen, wie sie wollen, werden automatisch gefüttert und im Sommer haben sie Weidegang, berichtet Wildgruber. "Mehr Tierwohl geht nicht", betonte Gerhard Stock. Die sogenannte Anbindehaltung gebe es zwar im Landkreis auch noch - in etwa 35 Prozent der Betriebe werden Kühe auf diese stark kritisierte Weise gehalten. Da gebe es nur eine langsame Veränderung, sagt er. Auslaufenden Betrieben aber dürfte keine Frist gesetzt werden, forderte Georg Radlmaier, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes Freising. "Das darf man nicht gesetzlich verbieten." Eine Umstellung bedeute oft einen mühsamen Prozess, der oft erst in der nächsten Generation möglich sei.

Gerhard Stock geht es darum, ein objektives Bild der Landwirtschaft zu zeichnen. "Über Skandale in der Landwirtschaft wird immer berichtet, aber 99,9 Prozent der Landwirte erzeugen hochwertige Nahrungsmittel." Glyphosat in der Landwirtschaft beispielsweise sei derzeit das große Thema, sagte Ralf Huber, stellvertretender Kreisobmann und Bio-Bauer. Zumeist aber werde es - auch in der kommerziellen Landwirtschaft - nur in ganz geringem Umfang eingesetzt. Auf dem Hof der Wildgrubers beispielsweise waren es in den vergangenen zehn Jahren weniger als ein Liter.

© SZ vom 16.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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