Vor allem kleinen Geschäfte haben es schwer:Ohne Perspektive

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Gisela Karl möchte gerne weiter Wolle in Freising verkaufen. Sie braucht dafür 100 bezahlbare Quadratmeter in der Innenstadt. (Foto: Marco Einfeldt)

Im Frühjahr 2017 muss der Asamtrakt geräumt werden. Die Zukunft der Ladenbetreiber ist teilweise noch ungewiss.

Von Kerstin Vogel, Freising

Die Frau betritt den Laden, sagt höflich "Grüß Gott" - und kommt dann relativ schnell zur Sache. Ob sie das Muster dieser Mütze fotografieren dürfe, fragt sie und zeigt auf die fragliche Kopfbedeckung. Gisela Karl, Betreiberin des Wollgeschäftes "Gillas" im Asamgebäude, stimmt natürlich zu, scherzt sogar noch: "Das können sie eh nicht nachstricken", bevor die "Kundin" den Laden wieder verlässt - ohne etwas gekauft zu haben. "Die Wolle kauft sie online", sagt Karl achselzuckend: "Das Internet macht uns kaputt."

Viel schlimmer aber als die Konkurrenz aus dem Netz ist für "Gillas" derzeit die ungewisse Zukunft. Im Frühjahr 2017 muss das Asamgebäude wegen der anstehenden Sanierung geräumt werden - und Karl hat noch keinen neuen Laden gefunden. "Wir brauchen eine gute Lage und bezahlbar muss es vor allem sein", sagt sie. Wenn aber in der Innenstadt 7600 Euro für 300 Quadratmeter Ladenfläche verlangt würden, dann sei das für Geschäfte wie "Gillas" nicht finanzierbar. Und: "Wir sind auf Laufkundschaft angewiesen und auf die Touristen", sagt Karl, vor allem, weil man das Hauptgeschäft im Herbst und Winter mache und damit quasi das ganze Jahr reinholen müsse.

Sehr schade fände Karl eine endgültige Schließung des Wollgeschäfts vor allem für ihre Mitarbeiterinnen: "Die hätte ich gerne bis zur Rente beschäftigt." Und Karl würde ihr Wissen um Wolle und Strickarbeiten gerne noch an viele junge Mädchen weitergeben. "Ich kann das ja nicht mit ins Grab nehmen." Um die 100 Quadratmeter sollte das neue Geschäft haben, wünscht sich Karl, die einen weiteren Laden in Niederbayern hat und von den Bedingungen dort schwärmt. In Freising hat sie von der Stadt bislang nicht besonders viel Hilfe erhalten, wie sie sagt: "Wir haben schon überlegt, ob wir einfach einen Container auf den Marienplatz stellen."

Galgenhumor auch nebenan in dem kleinen Zeitungs- und Tabakwaren-Geschäft von Sabine Thermer. "Das ist ein Notsitz", sagt sie und zeigt auf einen alten Klappstuhl vor ihrem Kassentresen: "Da haben schon so oft Leute gesessen, die draußen am Marienplatz irgendwie zusammengeklappt waren." Auch ältere Menschen, für die der Marsch durch die Innenstadt schon etwas beschwerlich sei, würden die Sitzgelegenheit gerne nutzen und oft auch die eine oder andere Sorge bei ihr loswerden. "Wenn ich da ein Geschäft draus mache", sagt Thermer, "pro Sorge fünf Euro oder so, hätte ich selber sicher weniger Schwierigkeiten".

Weil das natürlich nur ein Scherz ist, hat Thermer derzeit sehr wohl Sorgen, denn auch sie weiß nicht, wie es weitergehen soll, wenn sie das Asamgebäude verlassen muss. Auf Zeitungen und Tabak sei keine große Gewinnspanne, sagt sie, deshalb könne sie die Mieten, die an anderer Stelle in der Innenstadt verlangt würden, so nicht erwirtschaften. Abgesehen davon sei auch sie auf die Laufkundschaft in der Stadtmitte angewiesen. Und wenn sich nichts passendes findet? "Dann muss ich abschließen, ein paar Wochen regenerieren und mir einen Job suchen." Dass das nicht leicht wird, ist der Geschäftsfrau klar: "Ich bin 58 und habe Farblithografie gelernt", erzählt sie: "Den Job gibt es gar nicht mehr."

© SZ vom 26.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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