Der erste Monat ist geschafft:Anstrengende Wochen

Lesezeit: 2 min

Hausaufgaben, der Vogel Bu und die Zahl vier - Rani sammelt erste Schulerfahrungen

Von Laura Dahmer, Freising

Erschöpft hängt Rani Abdulaziz Ahmed auf seinem Stuhl - lieber möchte er an Papas Handy spielen, als über die Schule zu reden. Vier Schulwochen hat der kleine Iraker, der mit seiner Familie derzeit noch in der Flüchtlingsunterkunft an der Wippenhauser Straße in Freising lebt, schon hinter sich gebracht. Er besucht seit diesem Jahr die Paul-Gerhardt-Grundschule. Das kann anfangs eine noch ungewohnte Anstrengung sein.

Vor seinem ersten Schultag war Rani voller Energie, hat Bücher durchgearbeitet und Videos auf Deutsch und Englisch geschaut. Jetzt kann man diese Energie nur schwer wiederfinden. Die Schule mache Spaß, die Mitschüler seien nett und seine Klassenlehrerin mag er auch. Als er erzählt, was er schon in der Schule gelernt hat, kehrt Leben in Ranis Stimme zurück: "Heute hab ich die 4 als Hausaufgabe aufbekommen - dabei kann ich schon bis 100 zählen", erklärt der Junge in dem stolzen Ton, in dem er zuvor vom Erfolg seiner Schreibübungen erzählte. Schon vor Schulbeginn hat er mit einem Buch das Alphabet gelernt, bis zum Buchstaben P. Seit dem ersten Schultag liegt das in der Ecke. "Er hat fast jeden Tag Hausaufgaben. Die erledigt er nur langsam, weil er keine Lust hat, für das Buch bleibt keine Zeit mehr", seufzt seine Mutter. Dass sich Erstklässler mit den neuen Pflichten schwer tun, ist für sie nichts Neues: Im Irak hat Jawaher Khaleel Qaso als Grundschullehrerin gearbeitet - bis die Familie vor zwei Jahren vor dem Krieg flüchtete und nach Deutschland kam. Auch Ranis Vater, Abdulaziz Ahmed Jadaan, unterrichtete Mathematik. Lehrer bekommen im Irak wenig bis gar keinen Lohn, erzählen die beiden. Das Schulsystem leide besonders unter dem Krieg. "Ich habe letztens einen Fernsehbeitrag gesehen. Der Irak war weit hinten in der Bildung, Deutschland ganz vorne", bemerkt Abdulaziz. Das war nicht immer so: Früher habe Iraks Bildungssystem zu den besten gehört. Ranis Mutter erkennt Unterschiede zwischen der Grundschule hier und im Irak. "Bei uns haben Kinder ab der Grundschule so etwas wie Naturwissenschaften", weiß Jawaher. Hier lernt Rani Mathe, Deutsch, Ethik, Sport, Kunst und Werken.

In Werken hat er eine Handpuppe gebastelt, ein vogelähnliches Geschöpf mit gelbem Schnabel. "Das ist Bu, der hilft mir beim Schreiben", erklärt Rani. Bu ist Protagonist des Deutschbuches. In dem Buch ist auch eine CD, mit der Rani Deutsch lernen kann. Das ist auch für die Eltern hilfreich, die die Hausaufgaben ihres Sohnes teilweise vor sprachliche Probleme stellen. Eigentlich hätte er in die Hausaufgabenbetreuung gehen sollen, aber: Rani bleibt nicht mehr lange in der Paul-Gerhardt-Schule. Die Familie hat Asyl erhalten und zieht bald nach Erlangen. "Dort haben wir eine Wohnung bekommen - hier in Freising ist das schwierig", bedauert Abdulaziz. Sie seien gerne in der Stadt, müssen durch das anerkannte Asyl aber aus dem Containerdorf in der Wippenhauser Straße ausziehen. Eine andere Bleibe haben sie nicht gefunden. Also geht es bald raus aus dem zwölf Quadratmeter großen Zimmer in Freising und in eine Drei-Zimmer-Wohnung im Süden Erlangens. "Da hab ich ein eigenes Zimmer", freut sich Rani. Auch auf die neue Grundschule ist er gespannt: "Ich mag die Paul-Gerhardt-Schule, aber ich will jetzt nach Erlangen." Er wird dort in die Klasse 1a gehen, die Ganztagsklasse.

In die Fußstapfen seiner Eltern will Rani später nicht treten: "Ich will Bauarbeiter werden." Bis dahin hat er aber noch einige Hausaufgaben vor sich.

© SZ vom 12.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: