Montagsinterview mit Jürgen Wüst:Kein Mann für halbe Sachen

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Jürgen Wüst ist studierter Trompeter. Wenn er nicht selbst Musik spielt, dirigiert er die Freisinger Stadtkapelle. Wenn die Musiker so spielen, wie er es ihnen anzeigt, bereitet ihm dies sehr viel Spaß. (Foto: Marco Einfeldt)

Jürgen Wüst ist Trompeter, Dirigent und Musikschullehrer. Er mag Bach und Michael Jackson, spielt in der Kirche, leitet diverse Bands und Ensembles und ist in der Klassik ebenso zu Hause wie im Jazz und in der bayerischen Musik. Akribische Organisation macht es möglich

Interview Von Tobias Weiskopf, Freising

Jürgen Wüst ist 52 Jahre alt und Dirigent der Stadtkapelle, Leiter der Big Band der Realschule und weiterer Ensembles der Musikschule Freising, für die er als Trompetenlehrer arbeitetet. Mit der SZ Freising spricht er über seine Anfänge der Musik, seinen Umweg zum Berufsmusiker und über seine Highlights als Musiker.

SZ: Welches Stück der Musikgeschichte ist ihr Liebling - und wieso?

Jürgen Wüst: Das kann ich gar nicht so richtig beantworten, weil es eigentlich eher zwei Musiker sind. Ich mag Bach sehr gerne. Der hat was Beruhigendes und man kann viel bei ihm lernen. Ich spiele seine Musik gerne, vor allem das Weihnachtsoratorium. In meiner Jugend hat mich Michael Jackson begleitet. Das ist eine ganz andere Richtung, aber auf jeden Fall fand ich ihn mit seinen Ideen toll, sei es die Musik oder die Performance zu seinen Liedern.

Inspiriert Sie die Performance von Michael Jackson heute noch?

Zumindest ist das übrig aus meiner Zeit ( lacht). Ich bin einfach gern auf der Bühne.

Wie sind Sie zur Musik gekommen und was fasziniert Sie daran bis heute so?

Eigentlich hat das im Kindergarten angefangen. Meine Erzieherin hat meinen Eltern geraten, dass ich unbedingt etwas mit Musik machen soll. Die hat wohl gesehen, dass ich musikalisch bin. Das erste war dann der Klavierunterricht mit meinem Bruder zusammen. Und egal, ob ich selber musiziere, singe oder dirigiere: Wenn man das richtig lernt und seine Musikalität einbringt, kann man die Leute begeistern, das ist das Wichtige. Ich vergleiche die Musik mit einem Handwerk, wo man sich das Fertige anschaut. Wenn ich auf der Bühne bin, möchte ich, dass es meinem Publikum gefällt, dass es sich amüsiert.

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Jürgen Wüst ist im Unterricht und beim Dirigieren konsequent

Mit zehn Jahren haben Sie die erste Trompete bekommen, aber das Instrument nahezu autodidaktisch erlernt. Wie kam es dazu?

Mein älterer Bruder wollte Trompete spielen und wie das bei jüngeren Brüdern ist, die wollen immer, was der große Bruder macht. Damals habe ich beim Hausmeister von meinem Gymnasium Unterricht gehabt. Ich war aber bloß ein halbes Jahr da und habe dann das Gymnasium verlassen. Und dann bin ich groß geworden in der neu gegründeten Kapelle bei mir im Dorf - da bin ich Gründungsmitglied. Das waren am Anfang drei Familien, die sich zusammen getan haben. Dort habe ich meine Erfahrungen gemacht. Ich war sicherlich nicht gut. (lacht) Wenn heute so ein Schüler zu mir kommt, würde ich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.

Sie haben sich Mitte der Achtzigerjahre Jahre für das Grenzschutzkommando Süd entschieden. Wie passt das zur Musik?

Ich habe mit 16 Jahren nicht genau gewusst, was ich nach meiner Schulzeit machen soll. So jung ist das schwierig. Und da kam einer an die Schule und hat den Grenzschutz vorgestellt, ich habe mich dann beworben und wurde genommen. Ich war insgesamt fünf Jahre dort, zweieinhalb Jahre Ausbildung und dann beim Musikkorps. Es war eine wertvolle Zeit zum Lernen und Erfahrungen sammeln. Wir hatten viele Reisen, waren ein Teil der Öffentlichkeitsarbeit der Polizei. Ich hatte so viel Zeit zum Üben und wurde besser.

Wieso haben Sie das aufgegeben und sich komplett der Musik zugewandt?

Ich habe gemerkt, dass der Grenzschutz nichts für mich ist, aber festgestellt, dass mir Musik sehr viel Spaß macht. Ich habe dann gekündigt und angefangen zu studieren. Schon beim Grenzschutz hatte ich einen Lehrer, der mir gesagt hat, du bist zwar schon sehr alt, aber sehr gut, du könntest noch studieren. Dann bin ich ans Richard-Strauß-Konservatorium nach München gegangen und habe dort bei Rolf Quinque Trompete studiert.

Was haben Ihre Eltern gesagt, als Sie beschlossen Musiker zu werden?

Eigentlich hatten sie gedacht, dass ich mal was mit Musik mache. Als ich beim Grenzschutz gekündigt habe, waren sie nicht besonders angetan. Aber sie haben sich hinter mich gestellt, mich immer unterstützt.

Was ist die größte, bedeutendste Sache, bei der sie als Musiker oder Dirigent mitgewirkt haben?

Wir haben mal eine Konzertreise in Frankreich gemacht, wo ein Trompetenkonzert gespielt wurde. Dann war ich in Ingolstadt am Stadttheater häufig Aushilfe an der Trompete, besonders bei Musicals. Da ist auch einmal der Dirigent ausgefallen, den ich vertreten habe. Das war ein Highlight, wie auch der Papstbesuch oder der G 7-Gipfel, wo wir die Staatsgäste wie Obama mit der Stadtkapelle empfangen durften.

Sie leiten die Big Band der Realschule und die Stadtkapelle Freising. Wie kriegen Sie das alles unter einen Hut?

Das geht nur mit akribischer Organisation. Ich habe sehr gute Kollegen, die mich unterstützen. Dann braucht es feste Fixpunkte wie die Big-Band-Proben direkt an die Schulzeit, dann eine halbe Stunde Fahrt und es geht in der Musikschule weiter. Das muss geplant sein. Dann habe ich noch zwei Ensembles, Nachwuchsorchester.

Sie spielen und singen auf dem Oktoberfest mit den "Ludwig Thoma Musikanten", wirken in Big und Soul Bands, machen Unterhaltungsmusik und Volksmusik. Wie passt das zusammen?

Das kann ich so nicht beantworten. Ich mache sehr gerne Klassik, Trompete und Orgel in der Kirche, aber auch Jazz selbst spielen. Ich mag bayerische Musik sehr gerne. Dann bei der Stadtkapelle, wenn ich dirigieren muss, das ist etwas ganz anderes, als wenn ich selbst spielen muss. Wenn man feststellt, dass auch das herauskommt, was man anzeigen wollte, macht's immer Spaß. Zum Gesang bin ich eher per Zufall gekommen. Früher habe ich schon auch gesungen, aber mehr für mich. Ich war auf der Wiesn als Trompeter engagiert und derjenige, der Summer of 69 singen sollte, hatte nicht die Höhe. Ich habe dann gesagt: Komm lass mich das mal probieren.

Wie fühlt es sich auf dem Oktoberfest an, im Vergleich zu einem Staatsempfang mit der Stadtkapelle?

Auf der Wiesn kann man das ausleben, was man sonst nicht so machen kann. Was zum Beispiel wahnsinnig toll ist, ist wenn ich in die Gesichter der Leute schaue und ihnen gefällt's. Da wird nicht auf die Musik als solches geschaut, da geht es mehr um die Performance drum herum. Beim Staatsempfang oder klassischen Konzerten steht die Musik im Vordergrund. Das ist auch toll. Ich versuche immer alles immer so gut wie möglich zu machen. Halbe Sachen mag ich nicht.

© SZ vom 31.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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