Chaotische Informationslage:Die Angst geht um

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Angelika Ripperger war bis zur Vereinsauflösung bei den "Müttern gegen Atomkraft" aktiv. (Foto: Marco Einfeldt)

Landkreisbürger erinnern sich an das Reaktorunglück in Tschernobyl vor 30 Jahren

Am 26. April vor genau 30 Jahren geschah der Reaktorunfall im sowjetischen Tschernobyl. In einem Radius von mehreren Kilometern um das Atomkraftwerk evakuierte die Regierung sämtliche Städte und Dörfer. Auch in Freising sorgten sich viele Menschen um ihre Gesundheit, da durch Ostwind und starken Regen die Werte radioaktiver Strahlung im Landkreis innerhalb kurzer Zeit deutlich anstiegen.

Da zunächst unklar war, wie hoch die Gefahr für die Bürger wirklich war, ergriffen Landwirte und Bürger Vorsichtsmaßnahmen. Bauern ließen Kühe vorübergehend nicht mehr auf Weiden grasen, Kinderspielplätze wurden gesperrt. Der Verkauf von Blattgemüse und Frischmilch ging für ein paar Wochen deutlich zurück. Die Lehrerin Beate Keeser war zu dieser Zeit 27 Jahre alt und Studentin. Sie erinnert sich, dass sie nach Bekanntwerden des Unfalls vorsichtiger beim Einkaufen frischer Lebensmittel geworden war. "Da bin ich auf Bio-Lebensmittel umgestiegen, habe auch beim Salatkauf näher nachgefragt. "Freunde deckten sich mit Milch bei einem ganz bestimmten Bauern ein." Zwar sei sie misstrauisch gegenüber voreiligen Entwarnungen in der Umgebung um Tschernobyl gewesen, habe sich aber über die hiesige Lage weitgehend gut informiert gefühlt.

Die ehemalige Apothekerin aus Neufahrn Rita Zeilhofer erinnert sich noch an den Ansturm auf Jod in ihrer Apotheke. "Das Jod war sofort weg. Es hätte Sinn gemacht, mehr Jod auszugeben, man hätte aber viel höher dosierte und größere Mengen gebraucht. Die waren so kurzfristig aber gar nicht zu bekommen." Außerdem habe sie sich nur sehr mäßig informiert gefühlt, vieles habe sie nicht auf dem offiziellen Weg, sondern inoffiziell erfahren. Deswegen habe sie selbst versucht, sich zu schützen und den Kontakt mit Gras, Erde und eventuell kontaminierten Lebensmitteln gemieden. Dass es wieder zu einem derartigen Unfall kommen kann, fürchtet die Neufahrnerin auch heute noch. Ein solcher Unfall "kann jederzeit passieren", daher halte sie eine alternative Energieversorgung für sinnvoller.

Angelika Werner-Ripperger hatte in ihrem Schrebergarten über ihr Radio von dem Vorfall erfahren. Da war sie 31 Jahre alt und hatte ihre Ausbildung als medizinisch-technische Assistentin in der Nuklearmedizin abgeschlossen. Sie war sehr besorgt über die Situation, da es schwierig war, genauere Informationen zu erhalten. "Die Informationslage war sehr chaotisch." Deswegen tat sie sich mit Freunden zusammen und ließ Frischmilch auf Strahlenbelastung untersuchen. Beim Landratsamt forderte sie erfolglos eine Stellungnahme zu den Messdaten. "Es war nicht klar, was man noch essen konnte", sagt sie. Die Kräuter aus ihrem Schrebergarten habe sie deswegen vorsichtshalber sofort weggeworfen

© SZ vom 26.04.2016 / clli - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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