Bürgerforum :Freising streitet über Marihuana-Freigabe

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In einer BR-Live-Sendung diskutieren Politiker, Experten und Bürger im Asamsaal über den Sinn der Freigabe von Cannabis. Vorab möchte sich aber kaum jemand als Befürworter bekennen.

Von Christoph Dorner, Freising

Wenn ein Freisinger Bürger wegen eines Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz vor dem Amtsrichter landet, dann ist das zuvor meist in etwa so gelaufen: Der Freisinger fährt mit der S-Bahn nach München, geht schnurstracks in den Englischen Garten, hält dort nach einem Dealer Ausschau, kauft ihm fünf Gramm Marihuana für sich und seine Kumpels ab und wird meist noch im Park von einer Polizeistreife erwischt - so erzählt es wenigstens der Pressesprecher des Amtsgerichts, Manfred Kastlmeier.

Geht es nach den Grünen, sollen der Handel mit Cannabis und der Besitz von bis zu 30 Gramm bald legal sein. Zwar hätte sich der Freisinger aus dem Englischen Garten nach dem Gesetzentwurf der Grünen-Bundestagsfraktion immer noch strafbar gemacht, weil das Gras nur unter strenger Kontrolle in Fachgeschäften an Erwachsene verkauft werden dürfte. Denn darum geht es der Partei: Dem illegalen Drogenhandel die Geschäftsgrundlage zu entziehen. Durch die Legalisierung rechnen die Grünen mit einer Entlastung der Strafermittlungsbehörden und Steuereinnahmen von bis zu zwei Milliarden Euro im Jahr.

Cannabis ist nach wie vor die am weitesten verbreitete illegale Droge in Deutschland. Jeder vierte Erwachsene habe bereits seine Erfahrungen gemacht, heißt es im aktuellen Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung. Im Landkreis Freising gebe es zwar keine offene Drogenszene wie in München, sagt Dieter Weidner von der Freisinger Polizei. Einen illegalen Markt für Cannabis gibt es dennoch.

So wurden etwa im Dezember 2012 zwei 21-jährige Freisinger festgenommen, die in ihrer Wohnung mehrere Kilogramm Marihuana angebaut und auf der Straße verkauft hatten. Auch 2014 fand die Freisinger Polizei neun solcher Plantagen. In 203 Fällen ermittelte sie wegen einer Ordnungswidrigkeit. Wie viele Menschen im Landkreis friedlich einen Joint auf dem Sofa rauchen, ist dagegen nicht bekannt.

Der Bayerische Rundfunk hat die Gesetzesinitiative der Grünen nun zum Anlass genommen, in Freising am kommenden Mittwoch, 18. März, um 20.15 Uhr über die Cannabis-Freigabe zu diskutieren. Die Sendung "BürgerForum live" wird entgegen einer ersten Meldung nicht im Lindenkeller aufgezeichnet, sondern im Asamsaal. Für die Grünen wird der Münchner Bundestagsabgeordnete Dieter Janecek teilnehmen. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, hat ihre Teilnahme dagegen abgesagt. Die CSU-Politikerin wäre gerne gekommen, habe aber Termine in Berlin, sagte ein Sprecher der SZ. Mortler lehnt die Freigabe rundheraus ab.

Beim BR rechnet man dennoch mit regem Interesse an der Sendung. Bislang hätten überraschend viele junge Leute angerufen und Karten bestellt, sagt die zuständige Redakteurin Claudia Grimmer. Für eine Legalisierung habe sich bislang niemand eindeutig ausgesprochen. Diese Position öffentlich zu vertreten, sei aber auch nicht ganz einfach, so Grimmer.

Auch Bärbel Würdinger würde ihren Klienten davor abraten, sich in der Sendung zu äußern. Sie leitet die Freisinger Suchtberatung von Prop. Dort betreut man jährlich etwa 300 Cannabis-Konsumenten. Würdinger ist aufgefallen, dass bei vielen Kiffern die Bereitschaft gestiegen sei, sich völlig abzuschießen. Daraus resultierten bei 40 Prozent ihrer Patienten eine Abhängigkeit. Das gleiche Phänomen beobachte sie beim Alkohol. Gleichzeitig hätten 40 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein unproblematisches Konsumverhalten. Weil die Cannabis-Konsumenten keine homogene Gruppe seien, könne ihr Verein keine Empfehlung für die politische Debatte aussprechen. "Wenn es möglich wäre, eine klare Haltung zu haben, würden wir das tun", betont Würdinger. Deshalb will sie im "BürgerForum live" nur über die Arbeit des Vereins sprechen.

Zuletzt hatte in Freising die Piratenpartei die Einrichtung eines "Cannabis Social Club" gefordert, der nach den aktuellen Vorstellungen der Grünen betrieben werden sollte. Dafür hatten die Piraten Kosten von 86 400 Euro pro Jahr veranschlagt.

© SZ vom 12.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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