Blinder Passagier:Gefährliche Luftfracht

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Der Laubholzbockkäfer kommt mit dem Flugzeug ins Land. In einigen Landkreisen treibt er bereits sein Unwesen. Freising ist bisher verschont geblieben - obwohl es hier eine Behörde gibt, die gegen den Käfer kämpft

Von Alexandra Vettori, Freising

Wider Erwarten ist der gefürchtete Asiatische Laubholzbockkäfer Anoplophora glabripennis bisher noch nicht im Landkreis Freising in Erscheinung getreten. Im Landkreis München und in Kelheim hat man ihn bereits gesichtet. Die bittere Konsequenz: Kahlschlag. Der Widerstand gegen den ungeliebten Schädling wird aber von Freising aus organisiert. Hier sitzt die zuständige Behörde, das Landesamt für Landwirtschaft (LFL). Sie kann bald auf drei Spürhunde zurückgreifen, die darauf trainiert worden sind, den Schädling aus Fernost aufzuspüren. Zwei Hunde sind noch in der Ausbildung und werden sich demnächst ganz der Käferjagd widmen können. Eingesetzt werden die Spürhunde momentan vorwiegend in Kelheim und Grub, wo der Laubholzbockkäfer gerade wütet. Je nach Bedarf zieht man die Hunde aber auch bayernweit zu Kontrollen und Maßnahmen gegen Laubholzbockkäfer heran.

Daneben kontrollieren zwei LFL-Mitarbeiter am Münchner Flughafen die pflanzlichen Einfuhren aus Nicht-EU-Ländern: von thailändischem Basilikum bis zum Verpackungsholz. Das Landesamt ist der Ansprechpartner für bayernweit 25 weitere Kontrolleure, die an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten arbeiten.

Dass man bisher noch keine Larven des Laubholzbockkäfers im Landkreis Freising gefunden hat, grenzt fast an ein Wunder. Für gewöhnlich gelangen die Käfer mit Verpackungsholz aus China ins Land. Genau genommen in Paletten, auf denen Granit geliefert wurde. Eben solche Paletten sind in zahlreichen Logistikbetrieben und am Flughafen im Umlauf. Im Fachjargon heißt das nicht ganz unbedenkliche Verpackungsholz aus den Drittländern, um das es geht: "Risikoware". Eine flächendeckende Kontrolle gibt es trotz des gesteigerten Risikos noch nicht. Laut LFL-Pressesprecherin Sabine Weindl liegt die Kontrollrate aktuell bei 90 Prozent. Das Holz, das den Laubholzbockkäfer ins Land bringt, muss von den Importeuren gemeldet werden. Es muss nachgewiesenermaßen phytosanitären Hygienemaßnahmen, wie einer Erhitzung, unterzogen worden sein. Genau das überprüfen die Kontrolleure mit Stichproben. "Es sind auch nicht nur Laubholzbockkäfer-Larven, die gesucht werden, sondern eine Reihe von anderen Schädlingen", sagt die LFL-Sprecherin Weindl.

Neben dem Einsatz an vorderster Front will die Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising Prävention betreiben: Man will über die Risiken aufklären. Die Spezialisten haben zum Beispiel mehrere Broschüren zur Bekämpfung des Asiatischen Laubholzbockkäfers veröffentlicht. Auf ihrer Homepage gibt es Informationen, die passgenau auf die jeweiligen Zielgruppen zugeschnitten sind. Dazu nimmt man auf nationaler Ebene und mit betroffenen Nachbarländern an Fachsymposien und Kongressen teil. Aktuelle Entwicklungen in der Wissenschaft werden ebenfalls nicht außer Acht gelassen. LFL-Pressesprecherin Sabine Weindl nennt als Beispiel den Kontakt mit einer Doktorandin der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Für deren Arbeit hat die LFL Larven des Laubholzbockkäfers beigesteuert, an denen jetzt beim Pflanzenschutzdienst in Bonn im Quarantäneraum geforscht wird.

Ob sich am bisherigen Umgang mit dem Laubholzbockkäfer etwas ändern wird, ist ungewiss. Der Bund Naturschutz jedenfalls fordert einen Strategiewechsel: Es soll nicht länger blindwütig ein Radius von 100 Meter um jeden Käfer gerodet werden. Genau das sieht die aktuelle Rechtspraxis nämlich vor. Nach Meinung der Naturschützer wäre es weitaus wirkungsvoller, den Verbreitungsgrad des Schädlings zu untersuchen. Man würde dadurch die Natur schonen, heißt es.

Es sei außerdem gar nicht klar, ob der ungebetene Gast nicht längst in weiten Teilen Bayerns vorkomme. "Gibt es zehn Käfer in Bayern oder schon Hunderte? Wir wissen es schlicht und einfach nicht", schreibt Martin Hänsel, der stellvertretende Geschäftsführer des Bundes Naturschutz München. In seinen Augen müsste man die zuständigen Behörden zudem besser ausstatten. Ein Vorschlag, der auch den Freisinger Spezialisten gefallen dürfte.

© SZ vom 02.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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