Bis Anfang Dezember:Bei Gefahr schließt sich die Schleuse

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Das Freisinger Amtsgericht bekommt mit zweijähriger Verzögerung einen sicheren Eingangsbereich

Von Peter Becker, Freising

Das Freisinger Amtsgericht wird bald zur Baustelle. Eigentlich hatten Direktorin Lore Sprickmann Kerkerinck und ihr Stellvertreter Manfred Kastlmaier bereits vor zwei Jahren umfangreiche Baumaßnahmen angekündigt, die vor allem der Sicherheit der Beschäftigten und des Parteiverkehrs dienen sollen. Die Pläne entstanden damals unter dem Eindruck des Mordes an einem Staatsanwalt im Dachauer Amtsgericht. Aber: "Nichts hat sich getan", bilanzierte Kastlmaier während des Jahrespressegesprächs. Doch Ende Mai geht es los. Dann wird der Eingangsbereich für den Umbau geschlossen. Der Zutritt zum Gebäude ist dann schräg gegenüber der gewohnten Eingangstür möglich.

Läuft alles nach Plan, sind die Umbauarbeiten bis Anfang Dezember abgeschlossen. Der neue Eingangsbereich ist dann mit einer Schleuse ausgestattet, die sich im Fall einer Bedrohungslage schließen lässt. Ein möglicher Angreifer wäre isoliert, bevor er Schaden anrichten kann. Das Büro der Wachtmeister rückt ein wenig zur Seite, so dass Platz für eine kleine Wartezone vor den Gerichtssälen im Erdgeschoss entsteht. Außerdem wird ein neuer Ausgang entstehen. "Es wird eng", prophezeit Kastlmaier für die Zeit der Umbauphase. Parken sei dann in jedem Fall im Innenhof des Amtsgerichts nicht mehr möglich.

Doch Engpässe sind die Leiter des Amtsgerichts bei ihrer täglichen Arbeit gewohnt. 87 Personen sind dort beschäftigt. Zu wenig, wie der Stellenplan belegt, den die Direktorin erläuterte. Demnach fehlen 1,5 Richtern, zwei Rechtspfleger und drei Servicekräfte. "Und die Belastung steigt", warnt die Leiterin des Amtsgerichts.

Was das Geschäftsaufkommen am Amtsgericht angeht, wartet die Statistik mit zwei Überraschungen auf. Keine Erklärung haben die Leiter des Amtsgerichts dafür, dass die Fallzahl am Familiengericht von 1272 im Jahr 2014 auf 1530 im vergangenen Jahr angestiegen ist. Lore Sprickmann Kerkerinck wies darauf hin, dass die Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge darin nicht erfasst sei.

Dagegen ist die Zahl der Ordnungswidrigkeiten von 1978 auf 1578 stark zurückgegangen. Lore Sprickmann Kerkerinck führt dies auf den Wirtschaftsgipfel in Elmau im vergangenen Jahr zurück. Dieser hat Polizeipersonal gebunden, das bei Geschwindigkeitskontrollen, aus denen die meisten Ordnungswidrigkeiten entstehen, fehlte. Die beim Gipfel eingesetzten Beamten mussten in der Folge ihre Überstunden abbauen, anstatt mit moderner Technik etwa den Straßenverkehr auf den Autobahnen zu kontrollieren. Lore Sprickmann Kerkerinck geht davon aus, dass die Zahl der Ordnungswidrigkeiten im Jahr 2016 wieder steigen wird. Dumm ist nur, dass eine Arbeitskraft, die zu deren Abarbeitung ans Amtsgericht entsandt worden war, mittlerweile schon wieder abgezogen worden ist.

Zunehmend Sorge bereiten den Richtern an den Amtsgerichten Gruppierungen wie die Germaniten oder Reichsbürger. Beiden ist eigen, dass sie die Bundesrepublik Deutschland (BRD) nicht anerkennen, dafür aber das Deutsche Reich in seinen Grenzen von 1937. Ihrer Ansicht nach steht dieses immer noch unter dem Diktat der Siegermächte. Die BRD ist ihrer Meinung nach nur eine GmbH. Die Bürger seien das Personal, was die Bezeichnung Personalausweis verdeutliche.

Kastlmaier berichtete von vier Fällen, in denen Verhandlungen am Freisinger Amtsgericht von Reichsbürgern gestört oder ad absurdum geführt werden sollten. Einer habe jüngst eine Plastikfigur von Super-Mario auf die Anklagebank gesetzt, mit welcher die Richterin die Verhandlung führen sollte. Er selbst nahm auf den Besucherrängen Platz. Andere wiederum schicken ihre Vorladungen vors Gericht unter wirren Begründungen zurück. "Die wollen nur Chaos stiften", mutmaßt Kastlmaier. Dennoch bemühten sich die Richter, auch mit dieser schwierigen Klientel einen vernünftigen Umgang zu finden.

Die Einordnung dieses Personenkreises ist schwierig. Einige mögen rechtes Gedankengut pflegen, andere wiederum hängen Verschwörungstheorien an. Manche aus diesem Personenkreis hätten auch schlechte Erfahrungen mit dem Gericht gemacht, mutmaßt Amtsrichter Manfred Kastlmaier. Sie fühlten sich von der Justiz benachteiligt. Allen wiederum sei jedoch eins gemeinsam. Das Geld, das sie von einem Staat, der ihrer Ansicht nach angeblich nicht existiert, etwa in Form von Hartz IV erhalten, nähmen sie trotzdem entgegen.

© SZ vom 22.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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