Betriebe finden keine Azubis mehr:Nachwuchsprobleme auf dem Bau

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Immer weniger Jugendliche interessieren sich für eine Ausbildung in einem Handwerksberuf, 75 Lehrstellen sind im Herbst offen geblieben. Ein Grund ist der anhaltende Trend zu weiterführenden Schulen

Von Alina Sabransky, Freising

Dem Handwerk fehlt der Nachwuchs: Seit Jahren klagen Freisings Bauunternehmen und die Bauinnung Freising-Erding über ein wachsendes Missverhältnis von angehenden Handwerkern und Akademikern. Martin Reiter und Rudolf Waxenberger, Kreishandwerksmeister in Freising und Erding, verweisen seit Jahren darauf, dass sich immer weniger Jugendliche für eine Ausbildung in den Handwerksbetrieben interessierten. Im Herbst blieben wieder viele Lehrstellen frei.

"Gesellschaftlich hat der Handwerksberuf schon lange nicht mehr den Stellenwert, den er haben sollte, und sein Ruf wird zunehmend unattraktiver. Vor allem das Bauhandwerk leidet unter dieser Entwicklung. Viele Jugendliche können es sich nicht mehr vorstellen, bei Wind und Wetter zu arbeiten, und beklagen sich über Lärm-, Staub- und Klimabedingungen." Dabei könne die Handwerksausbildung durchaus in vielen Bereichen gegenüber einer Akademikerlaufbahn punkten, betonen die Kreishandwerksmeister. So sei zum Beispiel die Ausbildungsvergütung im Vergleich zu anderen Berufen von Anfang an sehr hoch. Ein Maurer verdiene im ersten Lehrjahr ungefähr 750 Euro, im dritten sogar 1400 Euro. "Viele Betriebe ermöglichen ihren besten Auszubildenden außerdem eine Weiterbildung zum Vorarbeiter", sagt Reiter. Folglich gebe es nicht nur für Universitätsabsolventen gute Aufstiegschancen. Reiter sieht das Problem auch bei den Eltern. Oft seien sie es, die ihren Kindern von einer Ausbildung abrieten. Das bestätigt auch Frau Senger der Freisinger Bauunternehmung Senger GmbH. Mitunter würden die Kinder durch das Gymnasium "geprügelt", selbst wenn sie eher für eine andere Schulform geeignet wären. "Und ein Schüler mit Abitur zieht eine Ausbildung kaum in Erwähnung, schon gar nicht in einem so praktisch veranlagten Bereich wie dem Bauhandwerk", sagt sie.

Kathrin Stemberger von der Agentur für Arbeit in Freising bestätigt, dass der Trend unter Jugendlichen zu weiterführenden Schulen ungebrochen sei und "genau diese Gruppe fehlt letztendlich am Ausbildungsmarkt. Waren im September 2011 34 Ausbildungsstellen in den Handwerksberufen unbesetzt, blieben im September vergangenen Jahres 75 offen."

Waxenberger sieht das Problem der Fachkräfte-Krise in den Betrieben hauptsächlich auf politischer Ebene. "Unsere Bildungspolitik ist es, die das Handwerk an den Rand der Gesellschaft drängt." Seit Jahrzehnten werde auf Bundesebene möglichst viel Bildung propagiert - "allerdings ausschließlich schulische und kaum berufliche Bildung. Praxis und Umsetzung des Wissens wird in der Schule nicht erlernt." Die Folgen spürten in erster Linie die Handwerksbetriebe.

Fast alle Freisinger Bauunternehmen berichten von ähnlichen Erfahrungen: Arbeit ist da, aber die Lehrstellen bleiben immer häufiger unbesetzt. Die Bauunternehmung Senger hat seit sechs Jahren keinen Lehrling mehr eingestellt. "Nicht einmal eine Bewerbung ist in dieser Zeit eingegangen", sagt Senger. Selbst junge Leute, die von der Arbeitsagentur "zu uns geschickt werden, tauchen oft gar nicht erst auf." Sie hätten kein Interesse an einer Ausbildung im Handwerk. Fehlende Motivation bei den Jugendlichen hat auch Norbert Ruhland in seinem auf Hochbau spezialisierten Betrieb bemerkt.

Für unbesetzte Ausbildungsstellen gibt es aber ganz unterschiedliche Gründe, wie Kathrin Stemberger berichtet: "Die Interessen und Qualifikationen der Arbeitgeber und der Jugendlichen stimmen nicht immer überein. Auch die Tatsache, dass viele Betriebe im Kreis Freising auf dem Land liegen und die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln oft schwierig ist, kann als Grund für den Lehrlingsmangel dienen." Dabei bemühen sich viele Arbeitgeber, die Ausbildungsstellen so attraktiv wie möglich zu gestalten und das Handwerk den Schülern näher zu bringen. So ist Kreishandwerksmeister Reiter im vergangenen Jahr an sieben Schulen gewesen, um über die Berufe zu informieren. Außerdem begleitet er die regelmäßig an Real-und Mittelschulen stattfindenden Ausbildungstage mit Informationen zu den einzelnen Handwerksberufen.

Reiter wirbt darüber hinaus für mehr Praktika. "Ohne Erfahrung haben die Jugendlichen keine Möglichkeit, die Schönheit und Kreativität der Handwerke zu erleben."

© SZ vom 14.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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