Besucherzählung im Wald :Bildergalerie mit Specht und Spinne

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Wissenschaftler untersuchen, wie intensiv Walderlebnispfad und Weltwald genutzt werden. Ihre sieben Kameras haben dabei auch ganz unerwartete Motive eingefangen.

Von Kerstin Vogel, Freising

Das Bild ist recht verschwommen, doch wenn man ganz genau hinschaut, dann sieht man: das Selfie eines Spechts. Der ein wenig streng aus der Wäsche schauende Vogel hatte im April dieses Jahres die Wildkamera entdeckt, mit der das Wissenschaftszentrum Weihenstephan und der örtliche Forstbetrieb seit nunmehr einem Jahr die Nutzung des Walderlebnispfades und des Weltwaldes in Freising erfassen. In guter Spechtmanier pickte das neugierige Tier auf die Linse ein und betätigte damit noch den Auslöser der Kamera, bevor diese schließlich den Dienst versagte.

Vor Überraschungen wie diesen sind auch Wissenschaftler nicht gefeit, selbst dann nicht, wenn sie zuvor viel Zeit in die Entwicklung des Zählverfahrens für die Besucher im Wald investiert haben. So waren für das Projekt verschiedene Wildkameras getestet worden, ebenso die notwendigen Sensoren und die Speichertechnik. Mit gefiederten "Hackern" allerdings hatte niemand gerechnet - und auch nicht mit der Spinne, die sich an einer anderen Kamera eingenistet hatte und vor allem nachts immer wieder den Auslöser "betätigte".

Insgesamt sieben solche Kameras hatte das Forscherteam um Gerd Lupp vom TU-Lehrstuhl für Strategie und Management der Landschaftsentwicklung im Dezember 2014 am Walderlebnispfad und im Weltwald aufgehängt, um die Besucher dort nicht nur zu zählen, sondern sie auch in Nutzergruppen unterscheiden zu können. Die verwendete Technik gilt dabei als Neuentwicklung. Zwar wurden laut TU bei Forschungsprojekten schon verschiedentlich Kameras für Zählungen eingesetzt. Dabei sei jedoch mit Dauervideoschleifen gearbeitet worden, heißt es in der Präsentation zu den ersten Forschungsergebnissen, die am Montag im Rathaus der Stadt vorgestellt wurden. Für die Zählungen in Freising wurden stattdessen automatische Infrarotkameras verwendet, die von Passanten mittels Sensoren ausgelöst werden und Fotos von ihnen anfertigen. Um den Datenschutz zu gewährleisten, wurden die Kameralinsen so abgeklebt, dass nur unscharfe Bilder entstehen können. Außerdem werden die Fotos nach der Auswertung umgehend gelöscht, wie die Forscher versichern.

Seit dem Start des Projekts arbeitet das Team auch an der Auswertung und Klassifizierung der Daten, um eine belastbare Aussage zur Erholungsnutzung der Wälder in Freising zu erhalten. Seit Dezember haben die sieben Kameras mehr als 200 000 Mal ausgelöst, wie Lupp am Montag schilderte. Bei dieser Datenmenge sei keine Vollauswertung mehr hinzubekommen, räumte er ein. Ziel sei es deshalb, anhand von ausgewerteten Stichtagen Muster zu ermitteln und Hochrechnungen abzuleiten. Kombiniert werden die Ergebnisse dann noch mit den Befragungen, die in den Wäldern durchgeführt wurden.

Erste Aussagen können die Forscher tatsächlich auch schon treffen. So haben den Walderlebnispfad von Anfang Januar bis Ende September etwa 40 000 Menschen genutzt. Allein am 26. April, dem ersten warmen und sonnigen Frühlingstag 2015 seien dort 600 Menschen unterwegs gewesen, so Lupp: "Wir haben erst gedacht, da ist mit den Kameras etwas schiefgegangen, weil das so viele waren."

Weitere Erkenntnisse der Zählung sind auf den ersten Blick vielleicht nicht überraschend, liefern dem Forstbetrieb aber wertvolle Hinweise auf die Nutzerstruktur in den Waldgebieten - beispielsweise um forstliche Maßnahmen oder den Jagdbetrieb besser planen zu können. "Stammgäste" sind demnach Jogger, Nordic Walker und Menschen, die mit ihren Hunden Gassi gehen - und die gehen offenbar auch bei jedem Wetter in den Wald. Spaziergänger und Wanderer sind etwas empfindlicher. Sie tolerieren kleinere Regenmengen von bis zu zwei Litern pro Tag, regnet es stärker, bleiben sie fern. Die erste Welle von Besuchern kommt schon vor 8 Uhr, gegen 17 Uhr wird das Tagesmaximum erreicht, wie Alfred Fuchs, Leiter des Freisinger Forstbetriebs, nun weiß.

Die Zählungen sollen noch bis März 2016 fortgesetzt werden. Die Freisinger Forscher hoffen, dass sich das von ihnen entwickelte Verfahren künftig vielleicht auch in anderen Bereichen anwenden lässt. Auf jeden Fall will man auch noch weitere Kameramodelle testen - denn wie man jetzt weiß, müssen diese Geräte "spechtsicher" sein.

© SZ vom 05.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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