Besonderer Schutz:Ein Einsatz für die Kohlmeise

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Erich Schraml kommt kein Vogel aus. Als Gutachter hält er bei der Planung von neuen Bauprojekten genau fest, wie viele Arten in dem Gebiet leben. (Foto: Marco Einfeldt)

Wo immer ein neues Baugebiet entsteht, muss vorher Erich Schraml als Gutachter genau festhalten, wie viele Vogelarten es in diesem Bereich gibt und wie man ihren Lebensraum erhalten kann

Von Katharina Aurich, Freising

Morgens um halb sieben herrscht am Thalhauser Graben in Freising bereits geschäftiges Treiben. Während die Menschen erst langsam in die Gänge kommen, bauen unzählige Vögel bereits fleißig ihr Nest. Erich Schraml, der entlang des kleinen Bachs die Vogelwelt für ein Gutachten kartiert, hört und sieht in den Bäumen und oben am Himmel eine Fülle unterschiedlicher Vogelarten. Da die Stadt Freising am Thalhauser Graben Regenrückhaltemaßnahmen plant, muss er zuvor in einem Gutachten erfassen, welche Vogelarten und wie viele Exemplare davon hier leben. Seit 1979 seien alle Vögel besonders geschützt, ihr Lebensraum dürfe sich nicht verschlechtern, erläutert Schraml, der immer wieder sein Fernglas ansetzt und sich auf einer Karte Notizen macht.

Der Artenschutz für Vögel gelte flächendeckend, die Bestände dürften nicht abnehmen, schildert er, während er gleichzeitig auf ein Kohlmeisenpärchen aufmerksam macht. Schraml zieht es vor, die Vögel, die er identifiziert, handschriftlich auf einer Karte zu markieren. Es gebe auch den Mobile-Mapper, ein GPS-gestütztes Gerät, in dem man die Vorkommen markieren könne. Am Ende der Kartierungszeit, Schraml wird das Gebiet insgesamt vier Mal untersuchen, werden alle Daten in eine digitale Karte eingetragen, um möglichst genaue Angaben darüber zu erhalten, wie viele Exemplare welcher Arten wo leben. Am Thalhauser Graben ist der Landespfleger, der sich zum Vogelspezialisten weiterbildete und seit über 20 Jahren freiberuflich arbeitet, im Auftrag eines Marzlinger Büros unterwegs, das den Auftrag für das Gutachten von der Stadt erhalten hat.

Während ein Kleiber mit Nistmaterial im Schnabel vorbei fliegt, erzählt Schraml, dass es in Bayern 200 verschiedene Brutvogelarten gebe. Vor 20 Jahren seien vor dem Start von Bauvorhaben kaum die Tierarten, die auf den betroffenen Flächen lebten, erfasst worden. Man habe sich auf die Pflanzen konzentriert, erinnert er sich. Das habe sich jetzt grundlegend geändert und je umstrittener ein Projekt sei, desto umfassendere Bestandsaufnahmen der Tierwelt seien nötig. Manche Gutachten müssten auch Überprüfungen durch Gerichtsverfahren Stand halten. Wer zum Beispiel den Bau eines Windrads neben seinem Grundstück verhindern möchte, für den werde etwa der Uhu plötzlich ein willkommener Nachbar, denn er sei streng geschützt und könne unter Umständen die Errichtung eines Windrads erschweren oder gar verhindern, erzählt Schraml.

Bevor er sich an die Bestandsaufnahme für ein Gutachten mache, spreche er sich in kritischen Fällen mit den Mitarbeitern der Unteren Naturschutzbehörde ab und gemeinsam werde festgelegt, welche Arten selten oder von dem geplanten Bauvorhaben besonders betroffen seien. Am Thalhauser Graben würden jedoch alle Vogelarten gleichranging erfasst. Dazu gehörten auch die Bunt- oder Grünspechte, die in den uralten, mächtigen Weiden entlang des Bachs nisten, wie die runden Löcher im Stamm belegen würden. In der alten Baumrinde befänden sich auch Spalten als Unterschlupf für Fledermäuse, erklärt Landschaftsplaner Marian Müller, der wie Schraml hier für das Gutachten, allerdings in Sachen Fledermäuse, unterwegs ist.

Ein eifriges Amselpärchen hat offensichtlich einen guten Nistplatz gefunden und umflattert aufgeregt "seinen" Ast. Auf dem Nachbarbaum versucht gerade ein Mönchsgrasmückenmännchen sein Revier zu verteidigen, während Schraml auf den Gesang des Zilpzalps aufmerksam macht. Daneben, in den Büschen am Graben, fliegen Rotkehlchen, dann stimmen in das morgendliche Vogelkonzert noch die Buchfinken ein. Auch Stare, Stieglitze und Girlitze seien hier in den Bäumen und Büschen entlang des Grabens heimisch. Die Stare stünden inzwischen auf der Roten Liste Deutschlands der gefährdeten Arten, da es für die Vögel zunehmend schwieriger werde, einen Brutplatz zu finden, schildert der Vogelexperte. Es gebe immer weniger alte Bäume, sie würden wegen der Verkehrssicherungspflicht abgeholzt und auch im Wald würden die wenigstens Bäume alt, sondern aus wirtschaftlichen Gründen früh gefällt, sagt Schraml. Da hätten Höhlenbrüter, die in alten Bäumen ihre Jungen groß ziehen, kaum noch eine Chance. Auch für Siedlungsbewohner wie den Haussperling würden die Lebensbedingungen schwieriger. Er finde in den sanierten und wärmegedämmten Häuserfassaden immer seltener Löcher für sein Nest, bedauert der Vogelexperte. Wenn die Stadt Freising in Zukunft am Thalhauser Graben Bäume fällen und Büsche umschneiden wolle, müssten die Stellen, wo viele Vögel brüten, nach Möglichkeit ausgespart und Ausgleichsmaßnahmen geschaffen werden, sagt Schraml.

© SZ vom 03.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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