Bericht aus Porto Alegre:Niemand hält am Zebrastreifen

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Malena Günther ist als Austauschschülerin in Brasilien. Jeder Tag dort birgt neue Überraschungen

Von Malena Günther, Freising

Im Juli ist die 15-jährige Malena Günther als Austauschschülerin der Organisation Youth For Understanding (YFU) und "Botschafterin Bayerns" nach Brasilien gegangen. Für die Freisinger SZ schildert sie ihre Erlebnisse in loser Folge:

Ich bin jetzt schon ein paar Wochen in Brasilien. Genauer gesagt in Porto Alegre, einer 1,4 Millionen Stadt im südlichsten Staat Rio Grande do Sul. Elf Monate lang nimmt mich meine Gastfamilie, bestehend aus meinen Gasteltern, einer 16-jährigen Schwester und zwei erwachsenen Brüdern, in ihren Familienalltag auf.

Die Verwandtschaft habe ich schon bald nach meiner Ankunft am Vatertag, der in Brasilien am 14. August gefeiert wird, bei einem großen Mittagessen kennengelernt. Doch die typische brasilianische Herzlichkeit spürt man nicht nur in der Familie, sondern bei jedem, den ich hier kennenlerne. Das fängt schon mit der Begrüßung an, weil man selbst die Direktorin mit einem Küsschen begrüßt - wodurch ich mich aber sofort willkommen gefühlt habe.

Bisher bin ich auf niemanden getroffen, der mich abgelehnt hätte, nur weil ich Deutsche bin - ganz im Gegenteil, alle sind sehr interessiert, warum ich in Porto Alegre bin und wie mein Leben in Freising aussieht. Oft haben die anderen hier schon von mir gehört und verwickeln mich in ein Gespräch, noch bevor ich ihre Namen kenne, und stellen mich ihren Freunden und Nachbarn vor. Und immer wieder höre ich aufgeregte Gesprächsfetzen über "die Deutsche".

Jeder Tag ist eine Überraschung für mich, denn ich lerne neue Menschen kennen, neue Orte und neues Essen. Den Sprung von dem 48 000-Einwohner-Städtchen Freising in die Metropole Porto Alegre mit ihren riesigen Malls und fünfspurigen Straßen konnte ich auch dank meiner YFU-Betreuerin und meinem Engel - eine Klassenkameradin, die mich bei allem unterstützt - gut meistern. Auch wenn ich manchmal noch etwas verwirrt bin, weil es gerade Winter ist und trotzdem 30 Grad heiß, oder weil die blauen Zwei-Reais-Scheine den europäischen Zwanzigern zum Verwechseln ähnlich sehen, sind immer Leute da, die mir geduldig alles zweimal erklären, auf Portugiesisch, Englisch oder sogar Deutsch.

Denn ich wusste zum Beispiel nicht, dass man sich in Geschäften und Restaurants zuerst ein Zettelchen geben lässt, bevor man bezahlt oder dass die Autos hier nicht vor einem Zebrastreifen halten. Außerdem ist es mir anfangs oft passiert, dass ich aus Gewohnheit Leitungswasser trinken wollte, das hier aber so stark gechlort ist, dass man entweder Wasser kauft oder es von einem Trinkwasserbrunnen holt.

© SZ vom 23.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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