Bericht aus dem Garicht:Aufbrausender Zocker bekommt Bewährung

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Obwohl ein 38-Jähriger in einer Spielothek einen Mann verprügelt, ist eine gefährliche Körperverletzung nicht nachweisbar

Von Alexander Kappen, Freising/Neufahrn

Auch unter Zockern gibt es einen Ehrenkodex. Es ist offenbar eine Art ungeschriebenes Gesetz, dass ein Spieler, der stundenlang an einem Automaten gesessen und dabei eine Menge Geld verloren hat, dort weiterspielen darf, bis er das Feld freiwillig räumt. So berichtete es jedenfalls ein 38-jähriger Münchner in der Verhandlung am Freisinger Amtsgericht. Dort musste er sich dafür verantworten, dass er das Zockergesetz in einer Neufahrner Spielothek mit Gewalt durchgesetzt und einen 30-jährigen Mann, der auf "seinem" Platz saß, verprügelt hatte. Richter Manfred Kastlmeier verurteilte den mehrfach vorbestraften Angeklagten, der nach der Tat auch noch trotz fehlenden Führerscheins mit dem Auto davon brauste, zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten auf Bewährung. Die Freundin des Münchners, die wegen Beihilfe angeklagt war, wurde freigesprochen.

Wie auch auf dem Video der Überwachungskamera zu sehen war, saß der Angeklagte am betreffenden Tag im August 2015 an einem Automaten. Das Gerät daneben, an dem er zuvor, wie er dem Richter erzählte, sehr lange gespielt und 200 bis 300 Euro verloren hatte, war frei. Er habe warten müssen, weil die Automaten, nachdem ein bestimmter Betrag an eingeworfenem Geld erreicht worden ist, automatisch für 25 Minuten gesperrt würden und erst dann wieder genutzt werden könnten. Als der Angeklagte wartete, setzte sich - obwohl auch andere Geräte frei waren - ein heute 30-jähriger Neufahrner ausgerechnet an besagten Automaten.

"Es gibt Schilder, dass ein Automat besetzt ist, wenn einer mal kurz zum Rauchen geht", berichtete der Mann: "Aber da war kein Schild und auch keine Geld mehr im Automaten." Als der Angeklagte kam, um seinen Platz einzufordern schickte der Neufahrner ihn zum Personal der Spielothek, wo er sich beschweren könne. "Aber die konnten ja kein Deutsch und haben nichts verstanden", berichtet der Angeklagte. Irgendwann tickte er aus und warf den Neufahrner samt dem Barhocker, auf dem er saß, nach hinten um. Als der danach aufsprang, schlug er ihm mit der Faust in Gesicht, verfolgte ihn durch die Spielothek und trat, als sein Opfer zu Boden fiel, mit den Füßen nach ihm. Der 30-Jährige erlitt eine Gehirnerschütterung, Gesichtsverletzungen, Prellungen und Schwellungen. Er war eine Woche krankgeschrieben.

Während er auf dem Boden lag, versuchte seine Mutter, die ihn begleitete, den Angreifer von hinten wegzuziehen. Dessen mitangeklagte Lebensgefährtin drängte die Frau ab, "weil sie schlichtend und deskalierend eingreifen wollte", wie ihr Anwalt sagte. Die Staatsanwältin blieb bei ihrer Meinung, wonach die 36-Jährige damit ihrem Freund half, das Opfer mit Füßen zu treten. Diese Intention sei nicht erwiesen, meinte der Richter und sprach die Frau frei. Dass das Opfer durch die Tritte getroffen wurde, sei ebenfalls nicht nachzuweisen. Er verurteilte den 38-Jährigen nicht wegen vollendeter, sondern versuchter gefährlicher Körperverletzung, vorsätzlicher Körperverletzung und Fahrens ohne Führerschein. Der Angeklagte, der eine lange Vorstrafenliste mit diversen Verkehrs- und Gewaltdelikten bis hin zum versuchten Totschlag und zur fahrlässigen Tötung hatte, kam mit einer Bewährungsstrafe davon. An das Opfer muss er 1000 Euro zahlen.

© SZ vom 29.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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