Außer Rand und Band:Massive Attacken

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Ein 35-Jähriger geht am Freisinger Bahnhof auf Sicherheitskräfte und Polizisten los. Weil er zu betrunken war, kann er sich an nichts mehr erinnern. Das Gericht verurteilt ihn zu acht Monaten Haft auf Bewährung

Von Alexander Kappen, Freising

Der Angeklagte selbst hatte, wie er mehrfach beteuerte, an die Vorkommnisse in jener Februarnacht am Freisinger Bahnhof keine Erinnerung mehr. Er sei zu betrunken gewesen. Dennoch entschuldigte er sich am Mittwoch in der Verhandlung am Freisinger Amtsgericht immer wieder bei allen Geschädigten, "falls ich was getan haben sollte". Das hatte er. Wie alle Zeugen übereinstimmend berichteten, hatte er 35-Jährige in besagter Nacht Sicherheitskräfte der Bahn und Beamte der Bundespolizei massiv beleidigt und versucht, sie zu attackieren.

Richter Michael Geltl war am Ende der Beweisaufnahme überzeugt, dass es sich so zugetragen hatte. Er verurteilte den unter anderem auch einschlägig vorbestraften Münchner wegen Beleidigung und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Zudem muss der 35-jährige Arbeitslose 500 Euro in Monatsraten von je 50 Euro an die Staatskasse zahlen. Der Angeklagte verzichtete auf Rechtsmittel und nahm das Urteil an.

Ein Mitarbeiter des Bahn-Sicherheitsdienstes berichtete, dass der Angeklagte, der nach eigenen Angaben zuvor eine Flasche Wodka getrunken hatte, gegen 3.20 Uhr von seinem Kollegen schlafend in der S-Bahn gefunden worden sei. Er selbst sei bei bereits abgestellten Zügen gewesen, um diese gegen potenzielle Sprayer zu schützen. "Ich habe mitbekommen, dass mein Kollege dem Angeklagten angeboten hat, am Bahnsteig auf die nächste S-Bahn zu warten, wenn er ruhig ist. "Daraufhin habe der 35-Jährige mit seinen Beschimpfungstiraden begonnen. "Ich habe immer wieder ,Arschloch, Arschloch, Arschloch' gehört - dann war 20 Minuten Ruhe, und dann ist es wieder losgegangen." Der Angeklagte soll in seine sexualisierte Beleidigungsorgie auch sämtliche Familienmitglieder der Geschädigten mit einbezogen haben. "Das ganze Beleidigungsspielchen hat ungefähr eine Stunde gedauert", sagte der Sicherheitsdienstmitarbeiter.

Die Sicherheitskräfte verwiesen den 35-Jährigen schließlich vom Bahnhof, woraufhin dieser laut Zeugenaussage von außen an die Hauswand des Bahnhofskiosks uriniert haben soll. Die Sicherheitskräfte erteilten dem Angeklagten Hausverbot und versuchten, seine Personalien aufzunehmen. Dabei soll der Angeklagte versucht haben, einen der Mitarbeiter zu beißen. "Deshalb haben wir ihn gefesselt zu Boden gebracht und die Bundespolizei verständigt", so der Zeuge.

Als diese eintraf, "hat er sich erst einmal tot gestellt", berichtete einer der Beamten in der Verhandlung: "Dann haben wir ihn auf die Beine gestellt - und plötzlich war wieder Leben in der Person." Und wie: Der Angeklagte beleidigte jetzt auch die Polizisten auf Heftigste und versuchte, sich zu befreien. "Dann hat er auf einmal angefangen, seinen eigenen Kopf gegen die Hauswand zu schlagen, deshalb haben wir ihn zu seinem Schutz wieder zu Boden gebracht, aber da hat er versucht, seinen Kopf auf die Straße zu schlagen", sagte der Polizist. Die Personalien an Ort und Stelle aufzunehmen, sei unmöglich gewesen, sagte sein Kollege, der ebenfalls als Zeuge aussagte. Daher habe man beschlossen, den renitenten Fahrgast mit zur Dienststelle in München zu nehmen. Beim Versuch, ihn ins Auto zu verfrachten, versuchte der Angeklagte, die Beamten zu beißen und trat nach ihnen. Allerdings ohne Erfolg, niemand wurde verletzt.

Die Staatsanwältin hielt dem 35-Jährigen zu Gute, dass er auch nach Angaben der Zeugen stark betrunken war und sich bei allen Beteiligten entschuldigte. Seine vier Vorstrafen, unter anderem eine einschlägige, sowie die hohe Rückfallgeschwindigkeit sprächen jedoch gegen ihn. Sie beantragte neun Monate auf Bewährung. Der Richter folgte diesem Antrag. Der Angeklagte gelobte Besserung: "Ich habe schon aufgehört, zu trinken."

© SZ vom 25.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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