Ausrede nicht glaubwürdig:Biker in Erklärungsnot

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Ein 33-Jähriger ist auf seiner Geländemaschine ohne Kennzeichen unterwegs. Das Gericht verurteilt ihn zu einer Geldstrafe

Von Peter Becker, Freising

Das passiert auch nicht alle Tage, dass ein Polizist mit Blaulicht von zu Hause abgeholt und mit dem "grünen Taxi" ins Freisinger Amtsgericht gefahren wird. Normalerweise kommen zu dieser zweifelhaften Ehre nur Angeklagte, die nicht zur Verhandlung erscheinen und zwangsvorgeführt werden müssen. Das "grüne Taxi" bezeichnet im gängigen Jargon natürlich nichts anderes als das Polizeiauto, in dem der Betroffene chauffiert wird.

In diesem speziellen Fall war dem Polizisten offenbar die Ladung nicht zugestellt worden. Gemäß dieser hätte er um 8.30 Uhr als Zeuge erscheinen sollen. Er hatte am 19. September dieses Jahres einen Mann mit seinem Motorrad an einer Tankstelle bei Allershausen angetroffen. An dessen Geländemaschine fehlte das Kennzeichen. Vor Gericht hatte der 33-Jährige dafür eine scheinbar einleuchtende Erklärung bereit. Er sei als Crossfahrer in einer nahe gelegenen Kiesgrube unterwegs gewesen, sagte der Mann. Dabei könne es schon mal passieren, dass bei so einem wilden Ritt durch das Gelände das Kennzeichen abbreche oder sich aus der Verankerung löse. Das Schild sei ja nur mit zwei Schrauben und entsprechenden Muttern befestigt.

So weit, so gut. Richter Manfred Kastelmeier rief den als Zeugen geladenen Polizisten noch einmal auf. Vergebens. Der Richter rief nun auf der Dienststelle des Beamten an und erfuhr, dass dieser sich gerade zu Hause befinde. Man versprach, sofort ein Auto dorthin zu schicken, um den Kollegen quasi mit größtmöglichem Tempo vorzuführen. Was dann auch geschah.

Die Aussage des Polizisten geriet nicht zum Vorteil des Angeklagten. Der Zeuge schilderte, wie er an besagtem Tag in einer Zivilstreife bei Allershausen unterwegs gewesen war. An einer Tankstelle seien ihm zwei Motorräder ohne Kennzeichen aufgefallen. Einer der Fahrer hatte wohl erkannt, dass sich eine Zivilstreife näherte. Er war geflohen. Der Beschuldigte machte ebenfalls Anstalten dazu. Da stand der Zeuge bereits vor ihm und griff ihm ins Lenkrad. "Ich habe etwas barsch zu ihm gesagt, er soll den Motor abstellen", erinnerte sich der Zeuge. Hinterher habe es ihm leid getan, dass er den Mann so angefahren habe. Aber er habe sich in Gefahr gefühlt, weil sein Gegenüber auf einem ratternden, startbereiten Motorrad saß.

Der Polizist hatte seinerzeit Fotos von der Stelle gemacht, an der eigentlich das Kennzeichen angebracht sein sollte. Und siehe: Nicht nur zwei, sondern vier Löcher sind dort vorhanden, um das Schild festzuschrauben. Der Zeuge sagte, das Motorrad des Angeklagten sei blitzsauber gewesen. Wäre er von der Kiesgrube gekommen, wäre es sicher verstaubt oder anderweitig verdreckt gewesen. Per Polizist vermutet, dass der Angeklagte wohl auf dem Weg zu der Piste war. Oder aber, er habe auf Feldwegen oder Feldern seinem Hobby frönen wollen. Das errege den Zorn der Bauern. Und um keine Anzeige zu riskieren, schraubten die Biker eben ihre Nummernschilder ab.

Richter Kastelmeier schenkte der Version des Zeugen mehr Glauben als der des Angeklagten. Der Polizist habe detailliert berichtet, sogar darüber, dass er sich über sein barsches Auftreten geärgert habe. Der 33-jährige Beschuldigte verfügt, moralisch verwerflich für einen Sozialpädagogen, über eine erkleckliche Anzahl von Einträgen im Verkehrsregister. Ursprünglich hatte der Mann einen Strafbefehl über 30 Tagessätze á 15 Euro erhalten. Er hätte diesen klaglos akzeptieren und zahlen sollen. Die Einlassung des Beschuldigten, er habe sein Nummernschild verloren, bezeichnete der Richter als Schutzbehauptung. Er verurteilte den 33-Jährigen wegen Missbrauchs von Kennzeichen zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen á 40 Euro.

© SZ vom 16.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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