Auf dem absteigenden Ast:Kein Platz für den Spatz

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Weil in Neubaugebieten und bei Sanierungen kaum Löcher und Ritzen im Mauerwerk bleiben, geht es Gebäudebrütern in Stadtgebieten schlecht. Insektizide und Katzen in den Gärten verschärfen die Situation

Von Peter Buchholtz, Freising

Im Landkreis Freising und in ganz Bayern leiden die Gartenvögel. Insbesondere der Spatz ist bedroht. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Landesbunds für Vogelschutz (LBV). Auch wenn der Spatz, auch Haussperling genannt, im Landkreis der am zweithäufigsten beobachtete Vogel ist, stagniert sein Bestand bayernweit und nimmt in den Stadtzentren sogar ab. "Das ist leider Gottes eine Tendenz, die vielerorts zu beobachten ist. Den Gebäudebrütern geht es ziemlich schlecht", sagt Hans-Jürgen Unger, stellvertretender Vorsitzender der LBV-Kreisgruppe Freising.

Martina Gehret, Citizen-Science-Beauftragte des LBV, sieht die Situation ebenfalls kritisch: "Ein Aufschwung beim Spatz ist nicht in Sicht. Die intensive Bautätigkeit und Flächenversiegelung in den Stadtkernen machen ihm offensichtlich so stark zu schaffen, dass er sich in die Randbereiche zurückzieht." Im gesamten Freistaat wurde der Allerweltsvogel nur noch in zwei Dritteln der Gärten beobachtet. Im Landkreis Freising lässt er sich zumindest noch in drei Vierteln der Gärten blicken. An der Umfrage "Stunde der Gartenvögel" haben sich heuer im Landkreis Freising 120 Beobachter beteiligt und vom 12. bis zum 14. Mai 2870 Vögel gezählt; im gesamten Freistaat haben über 10 000 Menschen an der gemeinsamen Bürgerforscher-Aktion von LBV und Naturschutzbund Deutschland (NABU) teilgenommen.

Besonders schlecht geht es demnach Spatzen und anderen Gebäudebrütern wie Mauerseglern und Schwalben im dicht besiedelten Gebiet, da bei Neubauten und nach Sanierungs- und Renovierungsarbeiten an Wohnhäusern keine Spalten, Löcher oder Ritzen für die Vögel bleiben. Schon jetzt brüten laut den Ergebnissen des LBV im Landkreis nur an knapp der Hälfte der Häuser Spatzen, in ganz Bayern sind es nur noch 41,7 Prozent.

Problematisch sieht Hans-Jürgen Unger die Aufklärung der Bürger im Fall der Gebäudebrüter. "Es ist sicherlich kein böser Wille, aber es wird nicht ausreichend informiert. Insbesondere die Architekten hätten die Möglichkeit dazu", sagt Unger. Neben der Versiegelung in den Städten ist der Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln im Garten ein weiteres Problem: die Vögel finden immer weniger Insekten zum Fressen. "Grundsätzlich dürfte laut Pflanzenschutzgesetz im Hausgarten gar kein chemischer Pflanzenschutz betrieben werden", sagt Unger. Trotzdem würden viele beispielsweise Blattläuse mit Insektiziden bekämpfen, auch das umstrittene Glyphosat komme nicht nur auf den Feldern zum Einsatz. Am häufigsten von den Beobachtern im Landkreis Freising gesichtet wurde der Feldsperling. Platz Drei belegt die Amsel, danach folgen Star und Kohlmeise. Weil insbesondere der Spatz auf dem absteigenden Ast ist, hat der LBV nun eine Folgeumfrage zum Spatz in Bayern gestartet. In den zwölf Fragen werden die Teilnehmer auch zum naturnahen Gärtnern und dem Einsatz von Pflanzenschutzmittel befragt.

Doch nicht nur Pflanzenschutzmittel und Sanierungsarbeiten gefährden die Gartenvögel. Eine weitere Bedrohung stellen die vielen Katzen dar. In der abgeschlossenen Umfrage "Stunde der Gartenvögel", zu welcher der LBV seit 2005 aufruft, wurden neben Vögeln auch Katzen erfasst. So zeigen die Daten, dass fast jeder bayerische Garten beinahe täglich Besuch von einer Katze bekommt. "Das ist in Freising nicht anders", sagt Hans-Jürgen Unger. 41 Prozent der Gärten im Landkreis werden laut Ergebnisbericht täglich und 16 Prozent oft von einer Katze besucht. "Das ist ein Problem, vor allem für die jungen Vögel", sagt Unger. Die Ästlinge würden zwar das Nest verlassen, könnten aber nicht sofort fliegen und säßen für die Fütterung im Geäst von Hecken oder auf dem Boden. Daher appelliert er an die Katzenbesitzer: "Solange Ästlinge rumsitzen, sollten Katzen nicht rausgelassen werden. Bis sie flugfähig sind, dann wäre viel geholfen".

Alle Endergebnisse der Umfrage können landkreisgenau auf www.stunde-der-gartenvoegel.lbv.de eingesehen werden. Naturfreunde können sich unter www.lbv.de/spatz an der Folgeumfrage zum Spatz beteiligen.

© SZ vom 10.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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